Cottbus zu Asche, Dortmund zu Staub?

Dieses Jahr sollen die Chaos-Tage parallel in Cottbus und Dortmund stattfinden. Mobilisiert wird per Internet. Die Polizei nimmt die Ankündigungen bis jetzt „zur Kenntnis“. In Cottbus wollen Rechte dagegenhalten

BERLIN taz ■ „Wir nehmen die Aufrufe zur Kenntnis, planen aber nichts“, sagt die Polizei in Dortmund. Bei den Kollegen in Cottbus heißt es: „Wir schauen dann mal.“ Allzu viel Kopfzerbrechen scheinen die für das Wochenende angekündigten Chaos-Tage den Ordnungshütern in den Austragungsorten nicht zu bereiten. Dabei mehren sich die Hinweise, dass in Cottbus neben dem Punk-Treffen auch eine rechte Gegenveranstaltung geplant wird. In der Innenstadt tauchten entsprechende Aufkleber auf. Noch vor zwei Wochen hatte die Polizei in Cottbus auf Anfrage der taz erklärt, mit Problemen durch Einmischung der Rechten sei nicht zu rechnen.

In keiner der beiden Städte hat die Polizei bisher eine Strategie, wie Punks gegebenenfalls vor Rechten zu schützen seien. Man bereite sich aber „auf alle Eventualitäten“ vor, heißt es übereinstimmend in Brandenburg und im Ruhrgebiet.

„Die Cottbusser Polizei befindet sich anscheinend immer noch im Unklaren darüber, was für eine Lawine da auf sie und die ganze Stadt zurollt“, kommentieren dagegen die Punks auf einer den Chaos-Tagen gewidmeten Homepage im Internet. Auf www.netzmuetze.de laufen zur Zeit die verfügbaren Informationen zusammen. Hier schätzt man, dass mehrere Tausend Punks nach Cottbus und Dortmund reisen werden. Die Polizei hält es noch immer für unklar, ob die Chaos-Tage überhaupt stattfinden werden. Doch im Internet werden bereits Mitfahrgelegenheiten organisiert.

Die Geschichte der Chaos-Tage reicht bis ins Jahr1982 zurück. Damals protestierten Punks gegen eine von der Polizei in Hannover eingerichtete „Punkerkartei“. Daraus wurde eine Tradition: In den Folgejahren reisten Punks jeweils am ersten Augustwochenende in die niedersächsische Landeshauptstadt, um den „Untergang Hannovers“ herbeizuführen, „Chaos zu verbreiten“, oder zumindest so zu tun. 1995 kam es zu heftigen Straßenschlachten, in deren Verlauf ein Supermarkt geplündert und Sachschaden in Höhe von 1 Million Mark verursacht wurde. 1996 verhinderten 7.000 Polizisten, dass Punks überhaupt bis in die Innenstadt gelangten – das vorläufige Ende der Chaos-Tage. Im vergangenen Jahr aber tauchten unvermittelt Flugblätter mit Einladungen nach Cottbus und Dortmund auf.

„Es gibt aber kein Komitee, das die Chaos-Tage plant“, erklärt Karl Nagel, Aktivist der Anarchistischen Pogo Partei Deutschlands (APPD) und einer der geistigen Väter der Chaos-Bewegung. „Die Flugblätter sind sich selbst erfüllende Prophezeiungen.“ Chaos-Tage, so Nagel, zielen auf temporäre Anarchie in den Innenstädten. Daneben geht es um den Schockeffekt und darum, die Kosten für den Polizeieinsatz durch übertriebene Drohungen in die Höhe zu treiben. Nagel selbst rühmt sich, der Polizei in Hannover Kosten von 36 Millionen Mark verursacht zu haben. „Cottbus zu Asche und Dortmund zu Staub“ heißt die Parole in diesem Jahr. Vertreter der Cottbuser Stadtverwaltung reisten indessen bereits nach Hannover, um sich dort über Abwehrstrategien zu informieren. Angesichts der Hannoveraner Strategie von 1996 steht zu erwarten, dass man auch in Cottbus auf massive Polizeipräsenz setzen wird, um zu verhindern, was Bild am Sonntag bereits als das „schlimmste Wochenende seit dem Krieg“ ankündigte. In dem Fall, steht bei netzmuetze.de zu lesen, werde man vielleicht auf die Stadt Forst in Brandenburg ausweichen.

YASSIN MUSHARBASH