Doktorvater zu verkaufen

von ARNO FRANK

Ohne Doktor geht in vielen Berufszweigen gar nichts. Die abschließende Promotion zu Doktorwürden an deutschen Hochschulen gilt als Nachweis wissenschaftlicher Reife, im Berufsleben als Karrieresprungbrett. Damit ein Hochschullehrer die Doktorarbeit überhaupt annimmt, müssen gewisse Voraussetzungen erfüllt sein: Doktorvater und Doktorand kennen sich oft schon länger und der Professor sollte letztlich nach wissenschaftlichen Kriterien entscheiden. Weil es aber inzwischen finanzkräftige Karrieristen gibt, denen zu höheren Weihen nur noch der „Doktor“ vorm Namen fehlt, hat sich ein Schattenmarkt entwickelt: Für Doktortitel, die so genannte Promotionsberater an deutschen Hochschulen einfädeln.

Nach Schätzungen des Deutschen Hochschulverbands kommen jährlich 350 Doktortitel illegal zustande. Die Dunkelziffer dürfte höher liegen. Der Betriebswirtschaftsprofessor Manuel Theisen von der Universität München kämpft seit 15 Jahren gegen Titelhandel und macht eine andere Rechnung auf: „Das entspräche ja ungefähr einem Prozent von den jährlich 30.000 Promotionen. Damit wäre der Werbeaufwand der größten dutzend Anbieter kaum abzudecken. Ich fürchte, die Dunkelziffer liegt eher beim Doppelten“.

„Ohne unnötigen Aufwand“

Solche Verträge sind juristisch unzulässig, wie das Landgericht Düsseldorf bereits 1995 festgestellt hat. Ein Promotionsberater wollte, nachdem die vermittelte Doktorarbeit dann doch nicht zustande gekommen war, die erste Rate seines Honorars einklagen. In der Urteilsbegründung heißt es: „Der Zweck des [...] Vertrages, der auf die Hilfe bei der Erlangung der Doktorwürde gegen Entgelt gerichtet ist, verstößt gegen die guten Sitten“.

Was die Berater nicht davon abhält, das lukrative Geschäft mit den Titeln weiter zu betreiben. Eine in Nordrhein-Westfalen ansässige Promotionsberatung – Name und Anschrift liegen der taz vor – umschreibt dieses Geschäft so: Hochschullehrer arbeiteten gerne mit „uns zusammen, weil externe Doktoranden aufgrund ihres weiteren Karriereverlaufs voraussichtlich in berufliche Positionen gelangen werden, in denen sie erheblichen Einfluß auf die Kooperation von Wirtschaftsunternehmen und Forschungseinrichtungen bzw. Hochschulen nehmen können“. Im Klartext: Für die Professoren mit oft knappen Forschungsmitteln springt etwas dabei heraus.

Allerdings dürfen sich die Beteiligten nicht erwischen lassen, denn das Geschäft ist nicht nur sittenwidrig: Der entsprechende Straftatbestand heißt „Vorteilsnahme im Amt“ und liegt dann vor, wenn ein Professor angehenden Wissenschaftlern seine Dienste nicht umsonst, sondern gegen Bezahlung zur Verfügung stellt. „Dem Doktoranden blüht eine Klage wegen Vorteilsgewährung, der vermittelnden Firma wegen Anstiftung zu beidem“, sagt Professorin Ingeborg Puppe, Strafrechtlerin an der Universität Bonn. Das Wort „Bestechung“ trifft den Sachverhalt besser, doch der ist wegen der gut geschmierten Dreiecksbeziehung (siehe Grafik) selten nachzuweisen.

Wem es nicht reicht, den Doktorvater zu kaufen, sondern sich auch gleich die ganze Arbeit schreiben lassen will, kann bei Promotionsberatern gleich den vollen Service bestellen. Die Ghostwriter, auf die Promotionsberater gerne zurückgreifen, sind meist gut ausgebildete wissenschaftliche Mitarbeiter aller Fakultäten, die sich mit Arbeiten zu individuellen Themen ein Zubrot verdienen. Sie können nicht einmal wegen Beihilfe belangt werden, weil der Vertrag nur das Verfassen „einer wissenschaftlichen“, nicht namentlich einer Doktorarbeit beinhaltet. In einem verdeckt recherchierten Beitrag des ARD-Magazins „Report Mainz“ sprach ein Agent für Ghostwriter von einem Pool aus etwa 250 Hochschulassistenten, auf die er gegebenenfalls zurückgreifen könne.

Ein Zustand, der auch den Hochschulverband zunehmend beunruhigt. Verbandsmitarbeiter Felix Grigat zur taz: „Mit der Promotionsberatung aus NRW hatten wir auch schon Auseinandersetzungen. Die Verträge sind aber immer so geschickt aufgezogen, dass man juristisch gar nichts machen konnte.“

Schon vor sechs Jahren hatte der Verband in seiner Publikation Forschung & Lehre den „begründeten Verdacht“ geäußert, dass „die als Prüfer in Promotionsverfahren beteiligten Hochschullehrer von dieser Promotionspraxis Kenntnis haben und sogar für bereitwillige ,Kooperation‘ Gegenleistungen erhalten“, die als Geld- oder Sachleistungen für den Hochschullehrer „oder für seine Institution erbracht werden“. Wo die Mittel knapp sind, könnte genau das für Professoren der entscheidende Anreiz sein, es mit der Promotion eines „externen Doktoranden“ nicht allzu ernst zu nehmen. Doch der Vorschlag des Hochschulverbandes, den Passus „Insbesondere habe ich nicht die Hilfe eines Promotionsberaters in Anspruch genommen“ in die eidesstattliche Erklärung des Doktoranden aufzunehmen, wurde nicht in die Tat umgesetzt.

Jedoch: Geplant ist ein Bundesgesetz, das die Professorenbesoldung reformiert. Das Projekt von Bildungsministerin Bulmahn (SPD) will es ausdrücklich fördern, wenn Professoren Geld aus der Privatwirtschaft, so genannte Drittmittel, einwerben. Der Münchner Wirtschaftsprofessor Theisen fürchtet, dass dadurch Doktorväter, die ihre „Drittmittel“ von Promotionsberatern kassieren, belohnt werden. Er kritisiert am Gesetzentwurf auch den Paragraphen 35, in dem es heißt: „An Professoren, die Mittel privater Dritter für Forschungsvorhaben der Hochschule einwerben [...], kann [...] eine Zulage vergeben werden.“ Theisen sieht darin die „Basis für diese Machenschaften deutlich verbreitert“. Bulmahn-Sprecherin Sabine Baun weist das zurück. Die Zulagen seien nur für die neuen Juniorprofessoren gedacht und die dürften gar keine Doktorarbeiten betreuen.

Kultusminister wollen nichts tun

Neben dem Bund könnten sich für die Bekämpfung des Titelhandels vor allem die Kultusminister der Länder zuständig fühlen. Doch dort wird das Problem niedrig gehängt. Dergleichen spiele sich „meistens im Ausland ab“, sagt die Sprecherin der Kultusministerkonferenz (KMK), Andrea Schwermer. Deshalb sei das Problem auch nicht auf KMK-Ebene beraten worden. Es handele sich bei dem „oft komplexen Thema um eine Grauzone, um Einzelfälle, für die dienstrechtlich die Länder“ zuständig seien.

Dass die Konferenz der Kultusminister der Länder nicht handelt, liegt nach Ansicht Theisens am kollegialen Klüngel an vielen Universitäten: „Im Kern geht es eigentlich um mehr Ehrlichkeit und Überprüfung in den eigenen Fakultätsreihen, denn hier müssen ja reihenweise die schwarzen Schafe sitzen“. Schwarz sieht er auch, was den Ruf der Hochschulabschlüsse anbelangt: „Begriffen wird nicht, dass wir damit unser System, unsere hoch geschätzten Wissenschaftler und deren Ausbildung, auch im internationalen Umfeld in Misskredit bringen.“