Süßsaures Unentschieden

Der Neuling 1. FC Union startete mit einem 1:1 gegen Hannover 96 in die 2. Liga. Beide Tore haben die Unioner selbst geschossen – es hätte auch ganz anders kommen können

Bis in die 76. Minute mussten die Fans des 1. FC Union in der Zweitliga-Premiere des Berliner Aufsteigers gegen Hannover 96 warten, bis Kostadin Vidolov nach feiner Vorlage von Bozo Durkovic das 1:0 für die Hausherren erzielte. Das Stadion „Alte Försterei“ bebte, obwohl nur 9.000 Zuschauer den Weg nach Köpenick gefunden hatten.

Die Freude dauerte genau 6 Minuten. Dann fabrizierte Verteidiger Emil Kremenliev ein Selbsttor zum 1:1. Das war besonders bitter für die Wuhlheider, denn nach einem Platzverweis (80.) standen nur noch 10 Gegner auf dem Rasen.

Beide Trainer wussten nach Spielschluss nicht so recht, was sie von dem Remis halten sollten. „Die Punkteteilung ist verdient“, meinte Unions Georgi Wassilev, der sich freilich maßlos über das Selbsttor ärgerte. „Wir müssen zufrieden sein“, kommentierte gequält lächelnd Kollege Ralf Rangnick. Dabei erinnerten beide Fußballlehrer wegen ihrer süßsauren Miene an eine beliebte chinesische Suppe.

In der Tat hätte Rangnick genauso lautstark über einen vergebenen Triumph wettern können. Denn vor der Halbzeitpause sah „96“ in der Wuhlheide wie der Sieger aus. Mit selten so erlebter technischer Raffinesse und quirligen Kombinationen düpierte Hannover die Hausherren. Rangnick ließ alle Essentials aufführen, die ihm einst den Ruf eines Fußballrevolutionärs eingebracht hatten: Viererkette in der Abwehr, Verschieben der Positionen im Mittelfeld und eine ballorientierte Raumdeckung. Ein modernes Spielsystem, dem Unions Coach Wassilev nicht übermäßig großen Wert beimaß. „Was heißt modern?!“, knarzte der Bulgare, als er auf die Schachzüge aus Niedersachsen angesprochen wurde.

Der „General“, wie der Bulgare genannt wird, befahl frühes Attackieren, auf dass Hannover die Lust am Wirbeln vergehe. Wie verwandelt kamen die Unioner nach der Halbzeitpause aus der Kabine. Selbst Ehrengast Klaus Wowereit muss auf der Tribüne gespürt haben, dass die Senatsgelder für die Renovierung ihres Stadions gut angelegt sind. Wassilev hätte den „Rasenschachspieler“ Rangnick auch matt gesetzt, wäre nicht ausgerechnet der Kopfball seines Landsmanns Kremenliev nach hinten losgegangen. JÜRGEN SCHULZ