Brüssel verbietet Trittins Giftverbot

Die EU-Kommission lehnt den deutschen Antrag auf ein Verbot zinnorganischer Verbindungen ab, die als gefährliche Umweltgifte gelten. Trittin darf die Stoffe an Schiffsrümpfen, in Windeln und in T-Shirts nicht im Alleingang untersagen

von BERNHARD PÖTTER

Einen deutschen Alleingang zum besseren Schutz vor zinnorganischen Verbindungen, insbesonders Tributylzinn (TBT), wird es nicht geben. Die EU-Kommission hat den deutschen Vorstoß zu einem nationalen Verbot der Umweltgifte abgelehnt. Es gebe keine neuen wissenschaftlichen Erkenntnisse, die eine solche Ausnahme von der weicheren Bestimmung der EU rechtfertigten, schrieb der EU-Kommissar für Unternehmen, Erki Liikanen, an die deutsche Regierung.

„Der von der Bundesrepublik mitgeteilte Entwurf einzelstaatlicher Rechtsvorschriften über die Beschränkungen des Inverkehrsbringens und der Verwendung zinnorganischer Verbindungen“ werde abgelehnt, heißt es in der Entscheidung der Kommssion vom 13. Juli, die jetzt veröffentlicht wurde. Damit bleibt die EU dabei: Die Gifte dürfen weiter gehandelt und angewandt werden.

Genau das wollten die Deutschen verbieten, nachdem sie im letzten Jahr daran gescheitert waren, die EU insgesamt zu einem Verbot zu bringen. Aufgeschreckt durch Meldungen über TBT-Belastungen von Textilien und Babywindeln hatte der deutsche Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne) im Januar die EU-Kommission um die Erlaubnis gebeten, auf nationaler Ebene die Bedingungen zu verschärfen. TBT-Schiffsanstriche sollten vollständig verboten werden. Damit folgte Deutschland einer Forderung der internationalen Seeschifffahrts-Organisation IMO. Außerdem sollten in Deutschland auch zinnorganische Verbindungen „zur bioziden Behandlung von Schwertextilien“ wie Zeltplanen und Lkw-Planen sowie von Windeln und Kleidung untersagt werden.

Begründet wurde der Vorstoß mit der Gefährlichkeit dieser Umweltgifte: 3.000 Tonnen TBT werden jährlich in Europa produziert, ein Drittel davon wird als Schiffsanstrich verwendet. Dadurch gelangen die Stoffe ins Wasser und stören empfindlich den Hormonhaushalt der Meerestiere: In Versuchen brachten die Stoffe die Geschlechtsausbildung von Schnecken so durcheinander, dass die Weibchen einen Penis ausbildeten. Forscher haben auch Hinweise darauf gefunden, dass menschliche Zellen von zinnorganischen Verbindungen ähnlich gestört werden wie tierische.

„Diese Verbindungen gehören zu den gefährlichsten Stoffen, die die Menschen bewusst für eine Anwendung in die Umwelt einbringen“, sagt Volkhard Wille vom Naturschutzbund (Nabu). Die Ablehnung des Verbots durch die EU sei daher „nicht akzeptabel“. Für Sabine Otto vom WWF ist die Entscheidung der EU auf „wirtschaftliche Interessen“ zurückzuführen. „Von vorsorgendem Verbraucherschutz, den die EU in der Agrarpolitik gerade entdeckt hat, ist da nichs zu merken“, urteilt Otto.

Auch der Sprecher des Umweltministeriums, Michael Schroeren, „bedauert die Entscheidung außerordentlich“. Es sei pikant, dass die Kommission oft den Mitgliedsstaaten Vorwürfe beim Umweltschutz mache, jetzt aber selbst die Chance versäume, Vorreiter zu spielen.