Steve McQueen ist nicht zu fassen

■ Im August zeigt das Metropolis eine Reihe mit Filmen des großen Anti-Helden

Der Anti-Held ist die widersprüchlichste Figur in Hollywoods Star-Typologie und vielleicht auch ihre wichtigste: kein strahlender Halbgott, aber auch keiner wie du und ich. Steve McQueens ernste Coolness setzt ungeschmälerter Wunschprojektion Widerstand entgegen – und verspricht gerade dadurch die Möglichkeit von Individualität.

Wenn McQueen überrascht wird, zerknautscht er sein Gesicht und blendet mit charmanter Jungenhaftigkeit. Zum Beispiel: als Faye Dunaway ihn in Thomas Crown ist nicht zu fassen (1967) im Schach schlägt, in jener Szene, die das Schuss-Gegenschuss-Verfahren zu einer atemberaubenden Modestrecke stilisiert. Berührt, verführt, aber zum Schluss fliegt Crown uns und seiner eleganten Verfolgerin trotzdem davon. Der Film lebt von visuellen Stil-Exzessen wie der damals neuen Split-Screen-Masche, diesem anti-narrativen Kaleidoskop der Bildmöglichkeiten. Vor allem aber lebt er vom ironischen Spiel mit McQueens Image des rebellischen Einzelgängers. Später erklärt Crown, warum er als Millionär den Super-Bankraub überhaupt nötig hatte: „It's me. And the system.“ Wie wahr.

Wie McQueen diesen Typ mit Präzision entwickelt hat, führt die Reihe genüsslich vor Augen. In The Blob (1958), seinem Debüt, dem Unernst schlechthin, mutet sein Ernst allerdings noch fremder an als jener interstellare Knetklumpen, der sich reihenweise Kleinstädter einverleibt. McQueen macht gute Miene zum trashigen Spiel. Als Teenie wirkt er so zeitlos alt wie später als Thomas Crown zeitlos jung.

Doch erst als einer von John Sturges Glorreichen Sieben (1960) ist er wirklich McQueen. Das starke Ensemble um den schon etablierten Yul Brynner scheint ihn zu reizen. Den sticht er mit prägnanter Effizienz aus: sparsame Gesten und genuschelte Gags, die sitzen.

Gegen das Original, Die Sieben Samurai, ist der Film aber nur gutes Handwerk. Man vergleiche die ersten Szenen in dem Bauerndorf, das gegen Räuber verteidigt werden soll. Kurosawa zeigt die panischen Bewohner in einer Folge starrer Einstellungen, landet auf dem Hintern einer verzweifelten Greisin, die sich in den Staub geworfen hat. Bei Sturges stehen die Mexikaner dagegen einfach im Bild herum, durch dessen Hintergrund dann ein paar Ganoven reiten. Die bekommen in seiner Hollywood-mäßigen, aber klugen Umdeutung des Endes dafür ein menschliches Gesicht. Kurosawa hat Sturges damals jedenfalls als Zeichen der Anerkennung ein Schwert verehrt.

In Sturges Gesprengte Ketten (1962) baut McQueen den Rebellen McQueen aus. Als US-Offizier Hilt in einem Nazi-Gefangenenlager wird er „Bunker-König“ genannt („Cooler King“), weil er wegen seiner Impertinenz immer wieder in Einzelhaft muss. Damit hatte der coole McQueen seinen Spitznamen auf Jahre weg. Hilt düpiert nicht nur den Lagerchef, sondern auch den Anführer einer Untergrundorganisation. Bei der großen Flucht macht er dann doch mit. Die Planung schlägt deutsche Gründlichkeit um Längen: eine spannende Studie über das Organisieren, nicht der beste Ausbruchsfilm – das bleibt Renoirs La Grande Illusion –aber sicher der genaueste.

Schnelle Fahrzeuge sind McQueens Markenzeichen, eine berühmte Verfolgung jagt die nächs-te: in Bullitt (1968) nicht querfeldein auf einem Wehrmachtsmotorrad, sondern im Amischlitten über die abschüssigen Straßen San Franciscos. McQueen ist als Cop Bullitt hinter „dem Syndikat“ her, weil ein Kronzeuge umgelegt wurde. Ein schneller Thriller, in den richtigen Momenten sehr langsam. Mit einem der schicksten Vorspänne überhaupt. Und wie Bullitt von seinem Kollegen für diesen Job geweckt wird und krumm aus dem Bad humpelt, ganz ohne Pose, das bringt den Anti-Helden auf den Punkt. Das hätte ein Jean Connery eben nicht gekonnt.

Außerdem im Programm: der selten gezeigte Kanonenboot am Yangtse-Kiang, McQueens einzige Oscar-Nominierung und sein persönlicher Liebling. Und Cincinnati Kid, in dem er seine Qualitäten als Pokerface ausspielt. Jakob Hesler

Blob: Do + So, 19 Uhr, Fr, 17 Uhr; Die glorreichen Sieben: Mo, 21.15 Uhr, Di, 19 Uhr + Mi, 17 Uhr; die Reihe läuft noch bis Ende August