Mysteriöse Morde und Wendungen

Am Mittwoch startet mit „Der Pakt der Wölfe“ das 15. Fantasy Filmfest  ■ Von Holger Römers

Einen kurzen Augenblick nur befinden wir uns im Paris der revolutionären Herrschaft der Guillotine, da setzt die Kamera auch schon zum Tiefflug über eine rauhe Gebirgslandschaft an und rückt, fast en passant, den Tod einer in Panik flüchtenden Frau ins Bild. Damit beginnt zugleich die lange Rückblende, die die Handlung von Der Pakt der Wölfe dominiert, mit dem am 8. August in Hamburg das 15. Fantasy Filmfest eröffnet wird.

Eine Bestie, die angeblich einem Wolf ähnelt, hat etliche Menschen, allen voran junge Frauen, grausam getötet. Die mysteriösen Morde treiben die Leute allmählich zur abergläubischen Raserei, und nur das plötzliche Auftauchen zweier berittener Fremder kann verhindern, dass zwei Sündenböcke die ohnmächtige Verzweiflung zu spüren bekommen.

Etwas irritierend wirkt zunächst, dass die beiden Reiter mit ihren abgewetzten Ledermänteln und undurchdringlichen Blicken einem Italowestern entsprungen zu sein scheinen. Richtiggehend grotesk wird es jedoch, als einer der beiden vom Pferd steigt und sich wortlos zum Kampf stellt: Da lassen Inszenierung und Schnitt nämlich sehr bald erahnen, dass die Produzenten dieses französischen Kassenhits für die Stunt-Koordination eigens einen Fachmann der Hongkonger Filmindustrie angeheuert haben.

Somit haben schon in den ersten zehn Minuten Handlung und Inszenierung von Der Pakt der Wölfe bereits ausreichend Kapriolen geschlagen, um absehbar zu machen, dass in den kommenden zwei Stunden noch so einige, nicht zueinander passende Genrezutaten durch den Wolf gedreht werden. Bei all dieser augenzwinkernden Hybridität ist Christophe Gans' zweiter Spielfilm vor allem eines: aggressiv auftrumpfendes europäisches Blockbusterkino.

Ein stattliches Budget von 300 Millionen Francs stand dem Regisseur von Crying Freeman für seine überbordende Fantasy-Action zur Verfügung. Folgerichtig bedient sich Gans ausgiebig im Arsenal jener postmodernen Stilelemente, die für vergleichbare Großproduktionen mittlerweile international zur Serienausstattung gehören. Neben der Hongkonger Kampfchoreographie werden erwartungsgemäß formale Eigenheiten des Musikclips adaptiert, wenn mittels digitaler Bildbearbeitung die Bewegung auf der Leinwand wahlweise verzögert oder beschleunigt abläuft. Allerdings lässt Gans es sich auch nicht nehmen, mit Hilfe der Computertechnik eines der ältesten vulgär-surrealistischen Klischees umzusetzen und blendet nahtlos auf schneebedeckte Hügel über, nachdem die Kamera über die Rundungen eines nackten Frauenkörpers geglitten ist.

Hybrid sind indes nicht nur Genremix und filmische Form, auch die Handlung bietet reichlich Eigentümliches, womit ein ganzes Postcolonial Studies-Seminar zu bestreiten wäre. So wird der Amerika-erfahrene Naturkundler, der sich im Auftrag des Königs an die (banale) Lösung des monströsen Rätsels macht, von einem ergebenen Blutsbruder begleitet, der allen Ernstes letzter Überlebender eines Irokesenstammes ist. Der Alte, der eingangs mit seiner Tochter von diesem Leder-strumpf-Chingachgook-Duo gerettet wird, gehört wiederum einer ominösen Außenseitersippe an, deren Kleidung auf langlebige modische Einflüsse des letzten Mongoleneinfalles in Europa schließen lässt. Da fehlt eigentlich nur noch Afrika. Und siehe da – zumindest am Rande spielt dieser Kontinent ebenfalls in die Auflösung des Geheimnisses der Bestie hinein, die von Hollywoods Creature Shop übrigens mehr schlecht als recht am Computer generiert wurde.

Was französische Produzenten können, das können, wie ein neuerlicher fernöstlicher Schwerpunkt des Festivalprogrammes beweist, ihre koreanischen Kollegen selbstverständlich auch. Für die Kampfszenen des koreanischen Publikumserfolgs Bichunmoo ist also mit Ching Siu-Tung ebenfalls ein Hongkonger Spezialist engagiert worden, so dass der Martial Arts Historienfilm – einmal abgesehen von den steifen, flach ausgeleuchteten Innenraumszenen – denn auch stark an Vorbilder aus der ehemaligen britischen Kronkolonie erinnert.

Aus Hongkong selbst kommt in diesem Jahr wiederum mit Time and Tide die zweite Produktion der asiatischen Dependance des Hollywood-Majors Columbia nach Tiger & Dragon. Wer gerade warum auf wen schießt, ist in Tsui Harks dröhnendem Actioner beim besten Willen nicht immer nachzuvollziehen. Einige der Kamerafahrten durch enge Hongkonger Innenhöfe dürften in puncto Rasanz allerdings für die Zukunft neue Maßstäbe setzen. Der Zeitpunkt, zu dem daraus internationaler Standard geworden ist, wird dann an zukünftigen Fantasy Filmfesten abzulesen sein.

Eröffnung mit Der Pakt der Wölfe: Mi, 20 Uhr, Cinemaxx