Hilfe gegen Abstieg

■ Den Teufelskreis Wohnungslosigkeit durchbrechen

Vor einigen Jahren hätte Heinz Radiwanow keinen Pfifferling mehr für sein Leben gegeben. Das Herz spielte verrückt, der Krebs hatte sich in Lunge, Leber und Magen festgesetzt. Ohne einen Arbeitsplatz trank er sich den Frust von der Seele. Als ihm die Probleme über den Kopf wuchsen, verlor er auch seine Wohnung. Mit Unterstützung der „Aufsuchenden Hilfe“ der Inneren Mission konnte er seine Abstiegskarriere durchbrechen. Heute hat er den Krebs besiegt und wieder seine eigenen vier Wände.

„Ich wusste manchmal nicht, ob ich Männchen oder Weibchen war“, erinnert sich der 64-Jährige mit Grausen an die schlimme Zeit zurück. Nach einem längeren Krankenhausaufenthalt kam die Wende. Die letzte Bierdose schmiss Rediwanow noch halbvoll weg. Von einer Übernachtungseinrichtung zog er in ein Haus für ältere Nichtsesshafte, wo er auch Arbeit in der Wäscherei fand. Die „Aufsuchende Hilfe“ begleitete ihn und vermittelte eine neue Wohnung.

Rediwanow ist einer von bislang 200 Betroffenen meist zwischen 30 und 50 Jahren, denen die Innere Mission seit sechs Jahren den Start in ein neues Leben ermöglicht. Häufig nach Suchtproblemen und oft verbunden mit Arbeitslosigkeit, Überschuldung sowie körperlichen oder psychischen Problemen haben sie ihre Wohnung verloren.

„Wir wollen den Teufelskreis von Flucht und Vermeidung durchbrechen, das Selbstwertgefühl der Betroffenen stärken“, erläutert Markus Großkopf das Ziel der „Aufsuchenden Hilfe“. Das ist nicht einfach, denn viele ihrer Klienten verdrängen meisterhaft ihre Probleme. Behördenbriefe wandern ungeöffnet in den Papierkorb, auf Mahnungen wird nicht reagiert.

In Abstimmung mit dem sozialen Dienst versuchen die Berater den sozialen Abstieg zu stoppen. Sie helfen im Umgang mit den Behörden und stellen bei Bedarf Kontakte mit Schulden-, der Sucht- und der Arbeitsberatung her. Mit Erfolg: 78 Prozent der von ihnen begleiteten ehemals Nichtsesshaften haben wieder eine eigene Wohnung.

Heinz Rediwanow kann heute nichts mehr so leicht aus der Bahn werfen. Seine eineinhalb Zimmer in Bremen-Grambke teilt er sich mit einem Nymphensittichpaar. 39 Quadratmeter Heimat. „Ich hab was um die Ohren, ein Zuhause, meine Ruhe“, lehnt sich der Mann zurück, der sich körperlich wieder fit fühlt und nach seinen eigenen Worten nicht mehr abseits steht. Nun will er „mindestens 85 Jahre alt werden“. Dieter Sell, epd