Polternd Richtung Wahltag

Im Tränenpalast feierten die Grünen: Polterabend. Die Homoehe. Und sich selbst. Ein heiratswilliges Brautpaar wird zum Medienspektakel. Die Parteivorsitzende Claudia Roth strahlt in der Siegerpose. Doch die homosexuelle Klientel der Partei reagiert verhalten. Nur wenige wollen gleich heiraten

von YVONNE GLOBERT

Hübsch hat sie sich gemacht. In einem Hauch aus transparenter Seide und rosa Blüten schwebt sie durch den Festsaal des Tränenpalastes. Vorbei an blauen und grünen Luftballons, blitzenden Kameras und hunderten Gästen. Jeden, der sie anspricht und beglückwünscht, strahlt sie aus aus ihren Rehaugen entgegen und wiegt den Kopf aufgeregt hin und her. Ihr ganzes Gesicht spricht dieselbe Sprache: Wow. Ich freu mich so. Jetzt wird geheiratet. Endlich.

Dabei ist es gar nicht Claudia Roth, die unter die Haupe kommt. Auch wenn der Eindruck am Dienstagabend nahe liegt. Irgendwie. Es ist ihre Party. Ihr Polterabend, daran gibt’s für die Bundesvorsitzende der Grünen nichts zu rütteln. Und jedem, der es hören will und ihr ein Mikrofon unter die Nase hält, wird sie nicht müde, das Lebenspartnerschaftsgesetz als alleinigen Sieg ihrer Partei zu verkaufen. Da hat sie nicht Unrecht.

Nur einmal kommt Roth ins Trudeln. „So what do you say to the conservatives and the church who are against the new law“, fragt ein BBC-Reporter dauerlächelnd. „Well“, setzt Roth zum Zitieren von Artikel 1 des Grundgesetzes an. Die Würde des Menschen ist . . . „Oh Gott, was heißt denn unantastbar auf Englisch“, fragt sie verzweifelt in die Runde.

Unantastbar. Wer nach dem Interviewmarathon, Fotobeschuss und Bühnentalkshow in den Gesichtern von Angelika Baldow und Gudrun Pannier liest, für den bekommt das große Wort der grünen Moral bald einen faden Beigeschmack. Nein, das Gesetz in seiner jetzigen Form reicht noch nicht aus, betont das lesbische Paar, das zehn Stunden später die erste Berliner Homoehe schließen wird. Ja, dies sei ist ein großer Schritt in Richtung Gleichberechtigung, sagen Pannier und Baldow, die bei den Grünen den Bereich Lesben und Schwule betreuen. Und wieder nein, „für uns persönlich ändert sich nichts“. So geht das über drei Stunden. Erschöpft drängt sich das Paar aneinander. Als ein Kameramann auch noch um kurz vor 23 Uhr das Rotlicht nicht ausschalten will, fährt ihn eine Bekannte der beiden wütend an: „Würden Sie jetzt bitte damit aufhören.“

Die Kabarettgruppe „Die Teufelsberger“ versucht derweil die Stimmung aufzulockern. Doch nicht jeder kann über deren schwule Friseure mit sadomasochistischen Sexspielchen lachen.

Die Journalisten dominieren für lange Zeit die Feier. Als Claudia Roth das Porzellan – ausgerechnet der Marke Bavaria – in tausend Scherben zerspringen lässt, watschelt die Presseblase brav hinterher. Schwule und Lesben bleiben überwiegend sitzen. Sie beäugen das ganze Gepolter im Tränenpalast und um die Homoehe wohl ganz anders, als die Kritiker aus der CSU es von ihnen erwartet hätten – in stiller Freude. Verhalten. Manche auch offen desinteressiert.

„Ich finde das alles hier nicht wirklich spektakulär“, meint etwa Katrin Schwabow, die ein wenig genervt in die Runde blickt, während ihre Lebensgefährtin an einer Flasche Bier nippt. „Was bislang erreicht wurde, ist doch nur ein Teilaspekt.“ Kein Grund zur Euphorie. Und kein Grund, sich selbst als Lebensgemeinschaft beim Standesamt eintragen zu lassen. „Klar, die Ehe ist gesellschaftlich anerkannt. Aber deswegen schon gleich heiraten?“

Auch Peter Höflich und Wolfgang Brunner haben es damit nicht eilig. In ein paar Monaten ganz sicher. Dann wären sie in ihrem Bekanntenkreis das erste Homoehepaar: „Von unseren Freunden heiratet kein einziger.“

Ebenfalls nicht bereit zum Ringtausch ist die Berliner Spitzenkandidatin der Grünen, Sibyll Klotz. „Meine Lebensgefährtin und ich sind beide einmal geschieden. Damit hat sich das Thema Heirat erledigt.“ Ein Boykott der eigenen Aktion? „Ich bin ja schließlich nicht nur eine öffentliche Person“, rechtfertigt sich Klotz. Jeder solle doch tun und lassen, was er wolle. Genau darum gehe es in dem Gesetz.

Stephan Schmidt dagegen könnte auf Anhieb gleich eine ganze Liste von Heiratskandidaten heraussprudeln. Der Polterabendbesucher würde selbst auch gern darauf stehen. Nur fehlt ihm dazu im Moment der passende Partner. „Dieses Gesetz war einfach absulot notwendig. Es ist der erste Schritt. Die Bewegung ist nicht mehr aufzuhalten. Einfach wunderbar“, strahlt Schmidt. Ein Schwuler im Glück.

Und Claudia Roth und ihre ParteikollegInnen verkünden noch mal auf offener Bühne und vor aller Augen, wem die Homsexuellen der Nation dieses Glück zu verdanken haben. „Diesen Tag kann man sich grün anstreichen“, ruft Roth und lässt den Begeisterungssturm auf sich herabregnen. Die Hände zur Siegerpose erhoben wie nach einem gewonnen Boxkampf. Dazu ein paar Verbalwatschen für die CSU und ein unbestreitbar schönes Zitat von Rio Reiser, dessen Band „Ton, Steine, Scherben“ die Grüne einst gemanagt hat: „Ich will leben, wie ich leben will. Lieben, wie ich lieben will.“

So schön kann Wahlkampf sein. Und leider auch so transparent wie das Kleid von Claudia Roth. „Die Homosexuellen stellen schließlich einen großen Teil der Wählerschaft“, sagt Katrin Schwabow – und lächelt ironisch.