Erzwungenes Revival des Häuserkampfs

Vor neun Jahren wurde die Besetzung der Rigaer Straße 94 in Friedrichshain durch einen Rahmenvertrag legalisiert. Doch der heutige Besitzer will die BewohnerInnen unbedingt loswerden. Per Gericht will er die Räumung durchsetzen

„Wenn Räumung, dann Beule!!!“, „Rigaer 94 bleibt“, „Die Häuser denen, die drin wohnen“. So lauteten die Aufschriften auf den Transparenten, die gestern vor dem Amtsgericht Lichtenberg aufgespannt waren. Auch die Musik erinnerte an die Hochzeiten des Häuserkampfes in Friedrichshain vor mehr als 10 Jahren. Kein Wunder, hatten sich doch hier rund 50 BewohnerInnen und FreundInnen des Wohn- und Kulturprojekts Rigaerstraße 94 zum Anti-Räumungsfrühstück versammelt. Zeitgleich wurde im Gerichtssaal über zwei Räumungsklagen beraten, die der Hausbesitzer Suitbert Beulker gegen BewohnerInnnen des Hauses erwirken will.

Der juristische Streit ist ein neuer Höhepunkt einer Auseinandersetzung zwischen Beulker und den etwa 20 BewohnerInnen von Seitenflügel und Hinterhaus der Rigaerstraße 94. Schon 1992 hatte ein von den BewohnerInnen gegründeter Kulturverein einen Rahmenvertrag über die Nutzung des Hauses mit der Wohnungsbaugesellschaft Friedrichshain abgeschlossen. Seither hat das Gebäude mehrfach den Besitzer gewechselt. Im Herbst 2000 wurde es an Beulker verkauft. Die BewohnerInnen wollten das Haus eigentlich selber erwerben. Dafür hatten sie extra eine Genossenschaft gegründet.

Anfangs versuchte man noch gemeinsam mit BezirkspolitikerInnen an einem Runden Tisch zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen. Doch Beulker brach die Gespräche ab. Seitdem versucht er, die teilweise seit mehr als 10 Jahre in dem Haus wohnenden MieterInnen loszuwerden.

So verschaffte er sich mit Hilfe der Polizei im Februar 2001 Zugang zu dem Haus. Eine Wohnungstür wurde mit der Flex gewaltsam geöffnet. Erst als die Bewohnerin Mietzahlungen belegte, wurde die Aktion abgebrochen. Die Polizei entschuldigte sich später bei der Mieterin.

Nun versucht Beulker über mittlerweile neun Räumungsklagen die BewohnerInnen loszuwerden. Eine Entscheidung über die ersten zwei Klagen wurde gestern vom Amtsgericht vertagt. Doch Anwälte und BewohnerInnen gehen von einer Zurückweisung aus.

Selbst wenn die Klagen von den Bewohnern gewonnen werden, gehen die Auseinandersetzungen weiter. Erst kürzlich haben die BewohnerInnen einen anderen Prozess gegen Beulker verloren. Jetzt sitzen sie auf Prozesskosten von rund 7.000 Mark und müssen dem ungeliebten Eigentümer Hausschlüssel aushändigen. Das hatten sie bisher mit Verweis auf die diversen Räumungsversuche Beulkers abgelehnt. PETER NOWAK