Holland als großes Vorbild

Bei der Europameisterschaft in Köln und Bonn erweist sich, dass der Abstand des deutschen Baseball zu den führenden Nationen des Kontinents trotz stetig wachsender Popularität immer noch groß ist

aus Köln GERD BERGMANN

Baseball muss man lieben oder hassen. Es spaltet nicht nur die Baseball vergötternden Nationen westlich und östlich des Pazifik und jene in Europa, die das Spiel mit der Keule und dem steinharten Ball unglaublich langweilig finden, sondern sorgt auch für Neid und Missgunst am Rhein.

Jahrelang kämpfte der Deutsche Baseball und Softball Verband darum, eine große internationale Veranstaltung ins Land zu holen. Nach der Zusage für die Europameisterschaft 2001 haben die Städte Bonn und Köln vorhandene Anlagen für moderate zwei Millionen Mark in taugliche Baseballstadien umgebaut. Aber ausgerechnet in Köln, wo mit den „Dodgers“ und den „Cardinals“ sogar zwei Bundesligaklubs spielen, hat der Klüngel die Lokalpresse erreicht. Der Kölner Stadtanzeiger monierte, die seit letzten Samstag stattfindende Baseball-EM würde „üppig subventioniert, ohne dass ein Boom zu sehen wäre“.

Dass es mit Baseball in Deutschland aufwärts geht, ist freilich unbestritten. Seit 1990 hat sich die Zahl der Mitglieder von rund 6.000 auf jetzt 28.000 in knapp 500 Vereinen vervierfacht. Einige Zeit war Baseball eine Modesportart, die Caps waren einfach „hip“, und viele Werbekampagnen griffen sich die Jungs mit den Keulen als Motiv heraus. Die Welle ist versandet, übrig blieben eine ganze Reihe kleiner und großer Klubs, deren immer noch enthusiastische Mitglieder vorwiegend mit zerlöcherten Fußballfeldern als Spielfläche klarkommen müssen. Andererseits entstanden in Paderborn, Strausberg bei Berlin und Regensburg mittlerweile Spielstätten, die sich sehen lassen können. Nun auch in Köln und Bonn, wo seit Samstag zwölf Nationalmannschaften bei der Europameisterschaft die Bälle über den Zaun dreschen.

Nach einem sechsten und zwei zehnten Plätzen bei den letzten drei Titelkämpfen hatten sich die deutschen Schlagballspieler dieses Mal das Halbfinale als Optimalziel gesetzt. Eigentlich glaubte man, alle außer Italien und den Niederlanden schlagen und selbst die Lücke zu diesen Teams verkleinern zu können. Dazu wurde 1999 mit Fred van Gulik passenderweise ein Holländer als Bundestrainer geholt, ein 1,60 Meter kleiner drahtiger Ex-Infielder, der die deutschen Wochenendbaseballer langfristig nach vorne bringen soll. Drei Niederlagen in den ersten vier EM-Spielen haben jedoch den Deutschen schnell ihre derzeitigen Grenzen aufgezeigt.

In den beiden führenden Baseballnationen Italien und Holland wird der Sport schon längst semiprofessionell betrieben. Wer es etwa ins „Honkball“-Nationalteam unseres Nachbarlandes schaffen will, muss jenseits von Job und Sport alles vergessen. Ein geradezu calvinistisch strenger Trainingsplan wird den Spielern auferlegt, die sich pro Woche dreimal im Verein und zweimal mit dem Auswahlteam treffen.

Der Erfolg ist jedoch da und damit auch das Geld aus dem Topf des Nationalen Olympischen Komitees. Die Oranjes sind als vielfacher Europameister regelmäßig bei Weltmeisterschaften und seit 1992 bei den Olympischen Spielen dabei. Dabei haben auch sie klein angefangen, als um 1948 herum zahlreiche Fußballer in der ligaspielfreien Sommerpause sich mit Baseball die Zeit vertrieben.

Im Gegensatz zu Deutschland ist Baseball in Holland Schulsport. Das sichert den Nachwuchs, der seit Jahrzehnten aufblicken kann zu Stars in den amerikanischen Profiligen wie etwa dem Infielder der New York Yankees, Robert Eenhoorn – heute Cheftrainer der Nationalmannschaft. Profis, die in den unteren US-Ligen, den „Minor Leagues“, ihre Brötchen verdienen, nutzen das holländische Team als Plattform, um sich für höhere Aufgaben potenziellen Arbeitgebern zu präsentieren. Über die Begeisterung der hiesigen Fans darüber, dass es in den letzten Monaten zwei deutsche Nachwuchsspieler – Michael Franke aus Strausberg und Tim Henkenjohann aus Bremen – zu Verträgen mit US-Mannschaften (und dem Einstieg in der untersten Anfängerliga) geschafft haben, kann man an Rhein und Maas nur lächeln.

George Pascal, als Geschäftsführer der Agentur ITMS Vermarkter der Major League Baseball in Europa, vermutet, dass eine Menge US-Profis Anrecht auf einen deutschen Pass hätten. Doch solange das Team von Fred van Gulik selbst einen Gegner wie Kroatien nicht bezwingen kann – durch das 5:6 am Dienstag geriet das Erreichen des Minimalziels Viertelfinale in große Gefahr – und Welttitelkämpfe außer Sicht sind, haben die verwöhnten und gut bezahlten Profis wenig Lust auf deutsche Nationalmannschaftsehren.