USA am Rande der Rezession

Gewinne schrumpfen, Arbeitsplätze verschwinden, und das Verbrauchervertrauen sinkt. Die erhoffte weiche Landung der US-Wirtschaft ist noch nicht sicher. Sollte die Nachfrage wirklich anfangen zu schrumpfen, droht eine Rezession in den USA

aus New York NICOLA LIEBERT

Wie ein Mantra haben Politiker, Konzernchefs und Analysten in den USA wiederholt, dass sich die Wirtschaft spätestens in der zweiten Jahreshälfte erholen wird. Doch es sieht immer weniger nach einer Kehrtwende aus.

Drei Viertel der US-Unternehmen haben inzwischen ihre Ergebnisse für das zweite Quartal vorgestellt, und im Schnitt stürzten die Gewinne im Vergleich mit dem Vorjahr um 17 Prozent. Computerfirmen wie Sun Microsystems oder große Fluggesellschaft, die im letzten Jahr noch Gewinne machten, schreiben jetzt dunkelrote Zahlen. Und von wenigen Ausnahmen abgesehen, gaben die Unternehmen ausgesprochen düstere Ausblicke auf den Rest des Jahres.

Zwar stieg im Juni der private Konsum um 0,4 Prozent. Doch in Zukunft wird den Amerikanern das Geld wohl weniger locker sitzen: Das Verbrauchervertrauen – ein Index, der vom Wirtschaftsinstitut The Conference Board erhoben wird – ging zum ersten Mal seit April wieder zurück.

Zu Jahresbeginn noch haben die Wall-Street-Analysten fest geglaubt, die Gewinne der US-Unternehmen würden in diesem Jahr im Schnitt um 9 Prozent zunehmen. Kleinlaut räumen sie jetzt ein, dass eher ein Rückgang der Gewinne zu erwarten ist – geschätzt um minus 8 Prozent. Und darin sind die Kosten noch nicht enthalten, die zusätzlich auf die Ergebnisse drücken, wie Abschreibungen für überteuerte Firmenübernahmen oder Abfindungen für entlassene Angestellte. Das wäre der erste Rückgang bei den Unternehmensgewinnen seit der Rezession von 1991.

Die Schuld an der Flaute geben viele Unternehmer dem Ausland: Die Nachfrage aus Europa und Japan sei schwach, Lateinamerika stecke in der Krise. Viele Firmen beginnen schon, wie kürzlich Colgate Palmolive, in ihren Bilanzen zu betonen, was sie eigentlich verdient hätten, wenn der Dollar nicht so hoch stünde. Beim Zahnpastakonzern zum Beispiel wird so aus de facto stagnierenden Umsätzen ein Umsatzplus von 5 Prozent.

Und daran wird sich wohl so schnell nichts ändern. Wirtschaftminister Paul O'Neill, betonte vergangene Woche, dass der Dollarwechselkurs genau richtig sei. „Unsere Politik ist ein starker Dollar.“ Schließlich profitiert die Importnation USA von den billigen Einfuhren.

Noch ist die US-Wirtschaft nicht in eine Rezession gestürzt. Noch wuchs das Bruttoinlandsprodukt im zweiten Quartal, wenn auch nur um 0,7 Prozent. Aber die Aussichten verschlechtern sich durch die vielen geplanten Entlassungen – egal ob in der „Old“ oder der „New Economy“, ob beim Chemiegiganten DuPont oder beim Telekommunikationsausrüster Lucent. Im Mai verschwanden rund 114.000 Jobs, und im Juni waren es geschätzt 53.000 Stellen.

Je schlechter die Unternehmen verdienen, desto mehr werden sie entlassen. Insgesamt 800.000 Stellen wurden im Laufe des letzten Jahres vernichtet. Entlassungen aber bedeuten geringere Einkommen und damit auch geringere Nachfrage. „Die Gefahr ist, dass sich die Gewinnrezession zur Rezession für die Verbraucher entwickelt und damit für die gesamte Wirtschaft“, mahnt Ed Yardeni, Chefvolkswirt bei Deutsche Banc Alex. Brown, dem US-Investmentzweig der Deutschen Bank.

Bislang sind es die Verbraucher, die die US-Konjunktur einigermaßen in Schwung halten. Ihr Konsum macht zwei Drittel des Bruttoinlandsprodukts aus. Doch wer fürchtet, bald arbeitslos zu sein, wird sparsam – daran werden auch die paar hundert Dollar nichts ändern, die die amerikanischen Steuerzahler dank der rückwirkend beschlossenen Steuersenkung erhalten. Darüber hinaus sind viele Leute zurückhaltend geworden, seit ihre Aktiendepots lauter rote Zahlen aufweisen.