„51 Prozent minus x für die SED“

Zur Wahl am 21. Oktober will auch die SED antreten, die durch Zwangsfusion aus KPD/RZ und FAZ hervorging. Ihr Sprecher Otto Feder hat Lösungen für alle Berliner Probleme: Hochbau am 13. August, Geld drucken und notfalls Bayern beitreten

Interview CHRISTOPH VILLINGER

taz: Herr Feder, am 21. Oktober ist Wahltag. Was macht Ihre Partei, die Kreuzberger Patriotischen Demokraten/Realistisches Zentrum (KPD/RZ)?

Otto Feder: Die KPD/RZ war durch die Bezirksfusion gezwungen, sich mit den Friedrichshainer Amorphen Zentralisten (FAZ) zwangszuvereinigen. Der Name dieser Partei neuen Typs ist SED, das ist lateinisch und bedeutet „aber“ oder „jedoch“. Zum Glück ist dieser Name in Berlin sehr geläufig.

Und was sagen Ihre über 200 Mitglieder zu dieser Zwangsvereinigung? Gibt es Dissidenten?

Sicher gibt es vereinzelte oppositionelle Stimmen. Auf dem Vereinigungsparteitag wurden Sie durch massiven Applaus niedergehalten. Auch haben wir Informationen, dass es innerhalb unserer Partei eine sogenannte terroristische Plattform geben soll, die extremistische Positionen zu vertreten gedenkt. Sobald wir darüber weitere Erkenntnisse haben, werden wir den Verfassungsschutz um Beobachtung bitten.

Wird die SED in ganz Berlin oder nur für das Kreuzberg-Friedrichshainer Bezirksparlament antreten?

Sicher werden wir auch für das Abgeordnetenhaus kandidieren. Aber der Schwerpunkt wird in Kreuzberg-Friedrichshain liegen. Es wäre unrealistisch zu behaupten, dass eine neue Partei wie wir bereits auf Landesebene Chancen hätte.

Was steht im Programm der SED?

Es ist knapp und präzise gefasst. Da die Finanzkrise von Berlin in aller Munde ist, möchten wir dort auch ansetzen. Unser Konzept ist: Geld ausgeben und nochmals Geld ausgeben. Dies bedeutet, wir versprechen jedem soviel Geld, wie er möchte. Notfalls muss dieses Geld eben gedruckt werden. Im Falle, dass das Geld nicht ausreicht, kann man die in Kreuzberg gelegene Bundesdruckerei in Besitz nehmen und weiteres Geld nachdrucken.

Und das soll funktionieren?

Aber sicher! Nur durch von außen gesteuerte Schwierigkeiten und Sabotage könnte ein wirtschaftlicher Bankrott eintreten. In diesem Falle erwägen wir den Beitritt, wie dies ja in der Vergangenheit schon wiederholt erfolgt ist, zu einem wohlhabenden Bundesland wie etwa Bayern oder Baden-Württemberg.

Wie sieht Ihr Wahlkampf aus?

Am 13. August machen wir eine Aktion am Checkpoint Charlie, um das Berliner Bauhandwerk, und hier besonders den Hochbau, der ja bekanntlich in der Krise ist, zu unterstützen. Und es soll hier, jenseits aller ideologischen Scheuklappen, ein ganz klares Zeichen gesetzt werden, die Bautätigkeit zu verstärken.

Welche weiteren Aktionen planen Sie bis zum Wahltag?

Es wird auf jeden Fall noch ein großes Kulturfestival, das Woodstock-Bizarr, mit vielen beliebten Bands, Künstlern und Kleinkünstlern geben. Dann wird es mit Sicherheit Demonstrationen geben. Es wird möglicherweise auch wieder eine Straßenschlacht geben, wie sie in den vergangenen Jahren auf der Oberbaumbrücke stattgefunden hat. Aber dafür trägt unsere Partei keine Verantwortung, dies wird von sympathisierenden Gruppen organisiert.

Aber die jährliche Straßenschlacht zwischen KPD/RZ und FAZ hat sich durch die Zwangsvereinigung doch erledigt.

Ich bin froh, dass Sie dies ansprechen. Bewährte Gepflogenheiten sind nicht einfach über Bord zu werfen, weil sich äußere Umstände scheinbar verändert haben. Ich denke, das Modell Straßenschlacht ist zukunftsfähig, auch wenn man sich möglicherweise gegen andere Gegner engagieren muss.

Haben Sie da bereits konkrete Gegner im Auge?

Nun, zum Beispiel möchte ich darauf hinweisen, dass es eine Überlegung gab, eine Mauer, wenn nicht sogar „die Mauer“, zwischen dem Bezirk Kreuzberg und Mitte wieder zu errichten. Da böte es sich an, in Zukunft Straßenschlachten zwischen dem, sagen wir mal salopp, Regierungsviertel und dem Viertel der Zu-kurz-Gekommenen zu inszenieren. Ohne hier in den Geruch des Linksextremismus geraten zu wollen.

Die KPD/RZ, die nun in der SED aufgeht, hat bereits Parlamentserfahrung. Wie bewerten Sie Ihre Arbeit in der Kreuzberger Bezirksverordnetenversammlung?

Es ist natürlich schwer, eine Bilanz zu ziehen, bevor die Wahlperiode abgelaufen ist. Wir machen unsere politische Arbeit allein auf weiter Flur gegen einen Block der Verweigerer. Das Bezirksparlament nutzt jegliche formalen Mittel aus, um unsere Arbeit zu behindern. Dennoch ist sie insgesamt ein Erfolg. Ich erinnere nur daran, dass die Entscheidung über den Sitz des gemeinsamen Bezirksrathauses von den Bezirksbürgermeistern durch Würfeln entschieden wurde. Dies ist eine politische Entscheidungsform, die immer wieder von der KPD/RZ eingefordert wurde.

Aber hier lügen Sie sich doch in die Tasche. Von Ihrem großen Ziel, Kreuzberg vor dem Untergang zu retten, ist nichts übrig geblieben.

Man muss den Realitäten klar ins Auge sehen. Es ist nicht so, dass wir in Kreuzberg mit unserer Fraktion die Mehrheit stellen. Wir haben im demokratischen Wettstreit Auseinandersetzungen verloren. Wir haben es nicht geschafft, die Einführung falscher Postleitzahlen zu verhindern. Wir haben es auch nicht geschafft, die Vereinigung der Bezirke zu verhindern. Aber auf lange Sicht wird sich die Kreuzberger Kultur gegen die Friedrichshainer durchsetzen. Bereits jetzt wird von den Friedrichshainern in der Bezirksverordnetenversammlung ein großes Klagelied angestimmt, dass die Kreuzberger sich mit ihrer Art überall durchsetzen, zum Beispiel mit ihrer Art, ewig herumzureden.

Insbesondere die PDS kritisiert, dass Sie ihr die Stimmen der jugendlichen Wähler wegnehmen würden. Was entgegen Sie diesen Vorwürfen?

Nun, wir leben in einer freien Marktwirtschaft, das sieht die PDS heute auch so und unterstützt das sogar. So wie sich Geschäfte gegenseitig Kunden wegnehmen, nimmt man sich auch gegenseitig Stimmen ab. Ich sehe nicht, wo da das Problem sein soll.

Alle Parteien spekulieren über ihre Wahlchancen. Die PDS spricht von 20 plus x, die FDP von 18 Prozent. Auf welches Ergebnis hofft die SED?

Ich denke, 51 Prozent minus x ist eine tragfähige Prognose.