Die Nase der Dinosaurier

Seit über 100 Jahren vermitteln Dinosaurierforscher ein falsches Bild von den ausgestorbenen Riesentieren

Immer der Nase nach. Wer sich an diese Devise hält, verirrt sich leicht. Das dürfen sich die Dinosaurierforscher nun hinter die Ohren schreiben. Ein Biomediziner der Universität von Ohio, Lawrence Witmer, zeigt ihnen, wo die Nasenlöcher der Dinos hingehören. Nicht oben hinter die Schnauze, wie man bisher dachte. Sondern viel weiter nach vorn, ganz nah ans Maul. So steht es heute im US-Wissenschaftsmagazin Science.

Wo die Saurier ihre Nasen hatten, ist alles andere als egal. Der rhinozerosartige Triceratops zum Beispiel: Er reservierte fast die Hälfte seines Schädelvolumens nur für die Nasenhöhlen. Witmer hat dafür eine Erklärung. Das Tier brauchte seine Nase als Klimaanlage, um den riesigen Kopf zu kühlen, die Atemluft zu filtern und anzufeuchten. Auch dem Geruchs- und Geschmackssinn kam die Nase zugute.

All dies setzte physiologisch allerdings voraus, dass die Nasenlöcher an der Schnauze platziert waren – und nicht weit dahinter. Dies nachzuweisen war nicht leicht. Nur die knöchernen Überreste der Sauriernasen blieben erhalten, nicht aber die Weichteile, so dass man nicht sehen kann, wo die Nase einst hingezeigt hat. Aber das „DinoNose“-Projekt kam in Gang, unterstützt von der National Science Foundation.

Witmer betrachtete zunächst die engsten lebenden Verwandten der Dinosaurier: Vögel, Krokodile und Eidechsen, aber auch andere Tiere mit ausgeprägten Nasen, wie Tapire.

Hunderte von Röntgenaufnahmen entstanden. Bei 62 Tieren aus 45 Spezies gab es immer den gleichen Befund: Die Weichteile der Nasen ragten vorn aus den knöchernen Nasenhöhlen heraus.

Um sicherzugehen, suchte Witmer auch nach Spuren von Blutgefäßen, die sich um die Nasen verteilt haben müssen. Er wurde fündig – bei Krokodilen und Eidechsen wie bei vielen Arten von Dinosauriern. „Sie hatten offenbar ganz normale Nasen, wie fast alle anderen Tiere auch“, folgert er. Witmer gibt der Weichteilforschung damit einen kräftigen Schub. Bleibt die Frage, warum Wissenschaftler sich in dieser wesentlichen Frage so lange irren konnten.

Vermutlich wurden die Weichen schon Ende des 19. Jahrhunderts gestellt. Damals fand man die ersten Saurierfossilien, darunter Sauropoden, die von ihrem Gewicht her – manche wogen 70 bis 80 Tonnen – allenfalls Walen ähnelten. Also dachte man sich, diese Geschöpfe müssten Wassertiere gewesen sein. Und sie hätten die höher gelegenen Nasenlöcher als Schnorchel verwenden können.

Inzwischen hat man längst gelernt, dass die Saurier vorwiegend an Land lebten. Und dass sie insofern gar keine Schnorchel brauchten. Doch an ihre Nasen hat einfach niemand mehr gedacht. „Irgendwie hat man den Fehler von den Sauropoden auf alle anderen Dinosaurier übertragen“, sagt Witmer. So ist das eben: Einmal in die falsche Richtung geguckt – und man riskiert, dass man für alle Zeiten danebenliegt. IRENE MEICHSNER