Machtprobe um Öl und Wähler

Mehr Kohle, Atom sowie Ölbohrungen in Alaska: Das wünscht sich US-Präsident Bush. Während ihm das Repräsentantenhaus folgt, will der Senat dagegen stimmen. Den Republikanern gelingt es nicht, Clintons Last-Minute-Öko-Dekrete zu kippen

von BERNHARD PÖTTER

Der Kampf um die US-Energiepolitik der Zukunft geht in die entscheidende Phase: Das US-Repräsentantenhaus beschloss am Mittwoch mit deutlicher Mehrheit die Pläne von Präsident George W. Bush, mehr nach Öl und Gas zu bohren, mehr Kohlekraftwerke zu bauen und auch wieder Atommeiler zu errichten. Besonders umstritten ist die Erlaubnis, im Naturschutzgebiet „Arctic National Wildlife Refuge“ (ANWR) in Alaska nach Öl zu bohren. Das Gebiet an der Nordküste Alaskas beherbergt nicht nur riesige Öl- und Gasvorräte, sondern auch geschützte Tierarten wie Robben, Bären und Karibus.

Ob Bush damit durchkommt, ist jedoch fraglich. Denn das Gesetz muss den Senat passieren. Dort haben die Demokraten die Mehrheit – und die sind dagegen. Überhaupt haben Bush und seine Partei derzeit große Probleme, ihre rigide Vorstellung von Umweltpolitik durchzusetzen, seit sie die Mehrheit im Senat verloren haben. So mussten die Republikaner diese Woche eingestehen, dass sie keine Chance haben, 45 Umweltdekrete zu widerrufen, die Bill Clinton in den letzten Wochen seiner Amtszeit verabschiedet hatte. Bush hatte dies nach Amtsantritt lautstark angekündigt.

Der gestern verabschiedete Gesetzentwurf des Repräsentantenhauses entspricht dem Fünf-Punkte-Energieplan, den Bush-Vize Dick Cheney im Mai vorgelegt hatte. Er sieht neben der Förderung umweltschonender Technik vor, in den nächsten 20 Jahren 1.300 bis 1.900 neue Kraftwerke für Öl, Gas und Kohle zu bauen, neue Ölraffinerien und Pipelines und neue Atomreaktoren zu errichten. Mit dem Gesetz bevorzugt die US-Regierung die Ölproduktion vor dem sparsamen Umgang mit Energie. Denn gleichzeitig wurden Regeln abgelehnt, die einen niedrigeren Verbrauch bei Sprit fressenden Geländewagen vorschrieben. Die Energieindustrie bekommt Steuererleichterungen von 335 Milliarden Dollar über die nächsten zehn Jahre.

Bush will mit dem Programm die Preise für Strom und Benzin niedrig halten und Energiekrisen wie derzeit in Kalifornien verhindern. Wieweit Bush sich durchsetzen kann, hängt nun vom Senat ab, der im September entscheiden soll. Bereits vor zwei Wochen hatte der Kongress einen ähnlichen Plan zur Ölförderung in den Rocky Mountains und Alaska abgelehnt.

In den letzten Tagen mussten die Republikaner bereits öffentlich eingestehen, dass gegen Clintons Last-Minute-Dekrete nichts mehr zu machen ist. „Unsere Anstrengungen haben den Schwung verloren, seitdem klar war, dass die Mehrheit im Senat wechseln würde“, sagte der Vizefraktionschef der Republikaner, Roy Blunt, der Washington Post. Im Mai hatte der republikanische Senator von Vermont, Jim Jeffords, aus Protest gegen Bushs Politik seine Partei verlassen. Seitdem halten im Senat die Demokraten die Mehrheit.

Clintons Dekrete hatten ökologisch sensible Gegenden unter verstärkten Schutz gestellt. So untersagte er den Bau von Forststraßen in insgesamt 60 Millionen Hektar Bundeswald und schränkte damit Holzwirtschaft und Bergbau ein. Er begrenzte die kommerzielle Nutzung von Nationalparks und senkte die Grenzwerte für die Belastung von Trinkwasser durch Arsen.

An der Aufhebung des Arsen-Dekrets waren die Republikaner letzte Woche gescheitert: Gleich 19 ihrer Abgeordneten stimmten mit den Demokraten, um die Regierung an der Verwässerung dieser Richtlinie zu hindern. Die Republikaner sind besorgt wegen ihres schlechten Öko-Images, seit Umfragen zeigen, dass die WählerInnen ihnen vorwerfen, sie würden Wirtschaftsinteressen über die Umweltbelange stellen. Schließlich stehen im nächsten Jahr Kongresswahlen an.