Bahn zahlt für Hotel

Recht statt Kulanz: Die Regierung will, dass bei Verspätung von Zügen Schadenersatz einklagbar wird

BERLIN taz ■ Die Bundesregierung will die Rechte der Verbraucher gegenüber der Bahn AG stärken. Nach den gestern bekannt gewordenen Vorstellungen des Verkehrsministeriums sollen Bahnreisende künftig bei erheblicher Verspätung der Züge Anspruch auf Schadenersatz haben.

Die Pläne sehen vor, dass die Kunden von der Bahn die Übernachtungs- und Telefonkosten erstattet bekommen, wenn sie durch Ausfall oder Verspätung eines Zuges ihre Reise nicht am selben Tag fortsetzen können. Das soll auch gelten, wenn die Bahnkunden durch Verspätung einen Anschlusszug verpassen und die Weiterreise am selben Tag unzumutbar ist.

An einer entsprechenden Gesetzesvorlage arbeitet derzeit das Bundesverkehrsministerium. Die konkrete Höhe der Erstattungsleistungen soll darin aber nicht festgelegt werden. Mit dem Gesetzentwurf will die Regierung Änderungen des Übereinkommens über den internationalen Eisenbahnverkehr (Cotif) von 1999 in nationales Recht umsetzen.

„Erstattungsleistungen bei Zugverspätungen sind nicht ganz neu“, erklärte Jürgen Frank vom Verkehrsministerium. Schließlich entschädige die Bahn AG ihre Kunden bereits auf Kulanzbasis. „Das eigentlich Neue ist, dass die Bahnkunden den Schadenersatz dann einklagen können.“

„Entschädigungen im Verspätungsfall sind bei der Deutschen Bahn bereits heute übliche Praxis“, bestätigte Dirk Große-Leege, Konzernsprecher der Bahn AG, der taz. Bisher gelte die Eisenbahnverkehrsordnung von 1938, nach der eine Haftung bei Verspätung oder Ausfall von Zügen ausgeschlossen ist. „Dennoch reagieren wir bei schwerwiegenden Verspätungen kulant.“ Für Verspätungen im Fernverkehr ab 90 Minuten gebe es Gutscheine über 50 Mark beziehungsweise bei Verspätungen eines ICE ab 30 Minuten eine Gutschrift des ICE-Zuschlags auf die nächste Zugfahrt mit dem ICE. Kunden, die ihre Reise nicht mehr am selben Tag fortsetzen können, bekommen Taxi- und Hotelgutscheine. Man könne daher mit dem Gestzesvorhaben der Bundesregierung gut leben.

Auch auf europäischer Ebene wird überlegt, wie die Bahn attraktiver gemacht werden könnten, sagt Peter Schmitt von der EU-Kommission in Deutschland. Das Weißbuch der Kommission, das im Herbst vorliegen soll, werde ebenfalls zur Debatte stellen, ob die Unternehmen bei Zugverspätungen und Zugausfällen Schadenersatz leisten müssten. NORBERT PAGEL