Im grünen Untergrunde

■ Wie die GAL eine ebenso mobile wie schrille Location auf die Schienen setzt

Hamburgs Grüne kommen vo-ran. In einer Stunde durch die Innenstadt, auf eingefahrenen Gleisen. Stargast Rezzo Schlauch, der fast mal Oberbürgermeister in Stuttgart geworden wäre und jetzt Joschkas Bundestagsfraktion im Zaume halten muss, wirft sich global denkend mit seinem ganzen Gewicht auf die FDP, die „noch nie was Sinnvolles bewirkt“ hätte, Hamburgs GALionsfigur Krista Sager drischt lokal handelnd auf Schill ein, bis das Mikrofon endgültig streikt. Und das alles dort, wo zumindest seit geraumer Zeit niemand mehr die Grünen verorten würde: im Untergrund.

„GAL goes Underground“, welch erinnerungsträchtiges Wortspiel, am Donnerstagabend im Salonwagen „Hanseat“ der Hamburger Hochbahn. Selbiger, in apart-bräunlichem Tropenholzfurnier gehalten, stammt von 1928, Stoßdämpfer, Schallisolierung und Lautsprecheranlage ebenfalls. Nach 20 meist unverständlichen Minuten verzichten die Protagonis-tInnen notgedrungen auf weitere wegweisende Worte.

Wahlkämpferin Sager mischt sich, den Tross der schreibenden und filmenden Zunft auf den Fersen, diskutierend unter leicht verschüchtert wirkende Bürgerinnen und Bürger; Schlauch versucht, dort hinzukommen, wo das Gros der etwa 100 Fahrgäste, zur Hälfte grüne Prominenz und die übliche Rathausjournaille, bereits angelangt ist: an die – funktionierende – Theke.

Das einstige GAL-Parteisprechertandem Kordula Leites und Peter Schaar, das in seiner Amtszeit sich nie über den Kurs einig werden konnte, plaudert freundlich am Bistrotischchen, der schwule Abgeordnete Farid Müller trägt die Message „Lieber Krista und schrill als Beust und Schill“ auf dem T-Shirt spazieren und freut sich über die Homo-Ehe, der NDR-Reporter B. kettenqualmt den ohnehin schon stickigen Salon bis an die Schmerzgrenze voll, der Welt-Schreiber Sch. nervt alle, derer er habhaft werden kann, wie schon seit Wochen mit seiner Standardfrage, ob es in Hamburg nach der Wahl nicht vielleicht doch eine Große Koalition geben könnte, GAL-Parteigeschäftsführer Michael Osterburg spendiert taz-Redakteur V. ein Bier, und Weinkenner Schlauch würde gerne ein „gutes“ Viertele schlotzen, muss aber erkennen, dass er in Hamburg weilt, mit der Hochbahn im grünen Untergrunde.

Was für ein netter Zug der GAL.

Sven-Michael Veit