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: HELMUT HÖGE über die Väter-Fantasien

Ein Haufen Arschlöcher!

Vor dem Steglitzer Familiengericht ging es neulich um Sorgerecht und Lebensschwerpunkt. Die Mutter führte aus: Der Mann sei in leitender Stellung, ihre Beschäftigung eher prekär; er sei hyperaktiver und – verantwortlicher – Protestant, sie liebe es dagegen, auszuschlafen; er habe einen stabilen Charakter, während ihr leicht alles zu viel werde, usw. Ihre gemeinsame Tochter sei also besser bei ihm in Köln aufgehoben. Der Vater erklärte der Richterin: Seine Frau sei sehr liebevoll mit dem Kind und beschäftige sich stundenlang mit ihm, während er sich höchstens leistungsgerechte Lernprogramme ausdenken könne; seine verantwortungsvolle Tätigkeit lasse ihm weniger Zeit für das Kind als die freiberufliche Schreibtischarbeit seiner Frau zu Hause; zudem gebe er eher gern mit dem klugen Kind bei Freunden an, als sich wirklich mit ihm zu beschäftigen – kurzum: Die Tochter sei besser bei der Mutter in Berlin untergebracht.

Wie in vielen anderen Scheidungsprozessen ist es aber auch in diesem so nicht gelaufen. Zudem ging es erst einmal nur um eine einstweilige Verfügung, mit der der Kindsvater seine Verschleppung der Tochter nach Köln gerechtfertigt hatte. Vor allem war darin von kariösen Milchzähnen die Rede, worum die Mutter sich nicht gekümmert habe, weswegen er dies jetzt schnell in Köln machen lasse – und zwar unter Totalnarkose, woran man die Kompliziertheit des Zahnproblems und damit den Grad der Vernachlässigung des Kindes durch die Mutter erkennen könne. Dazu erklärte der Ehemann der Vorsitzenden Richterin, die Kindsmutter sei leicht depressiv und nicht zu einer verantwortungsbewussten Erziehung in der Lage. So würden sich selbst die Kaninchen auf dem Balkon bei ihr „unkontrolliert vermehren“.

Die Ehefrau brachte dagegen mehrere ärztliche Gutachten bei sowie auch Beurteilungen ihrer Lebensumstände durch eine Sozialarbeiterin und der Leiterin der Kita ihrer Tochter. Was eine Prozessbeobachterin zu der Äußerung verleitete: „Typisch, der Mann dreht durch – und die Frau muss ihre geistige Gesundheit nachweisen.“

Das Gericht schmetterte die einstweilige Verfügung des Ehemanns zwar ab – die Tochter wurde der Mutter übergeben, aber die Frau kostete dieser dreiwöchige Spaß ihres Mannes inklusive der Rechtsanwältinnen- und Psychiaterkosten sowie dreier Kurzreisen nach Köln etliche tausend Mark, plus Verdienstausfall.

Geweint hatte der Mann nur einmal, 1997, als er im Spiegel einen Riesenartikel von Matthias Matussek las – über das Elend der gut verdienenden „Trennungsväter“, zu denen er nie und nimmer gehören wollte, die ihm aber Leid taten, weil sie hilflos den feministischen Müttern sowie dem weiblichen Teil der Helferwelt ausgeliefert waren – wenn sie ihr Kind nur mal kurz sehen wollten. Die Mutter brauchte laut Matussek bloß ein „genervtes ‚Keinen Bock‘ hören zu lassen – und schon mussten die Mittelschichstmänner klein beigeben. Nur zahlen durften sie – wahre Unsummen!

Dennoch fiel es auch schon vor dem Steglitzer Gerichtsprozess schwer, diese armen Männer – getrennt von ihren Kindern, in Karrierekämpfe verstrickt – zu bedauern. Denn nicht brache Kindesliebe und -fürsorge lässt sie verzweifeln, sondern dass sie zahlen – und nichts dafür kriegen. Das scheint ihnen derart antikapitalistisch, eine auf den Kopf gestellte Welt zu sein, dass sie reihenweise ausrasten „wie Michael Kohlhaas“ (Matussek).

Es gibt Millionen Kinder, denen sie Unterstützung geben, mit denen sie eine vorkapitalistische Geselligkeit pflegen könnten, diese Welt interessiert sie aber nicht, sie wollen einzig das eine Kind – als einstmals gemeinsame Anschaffung – vor Gericht sich erstreiten: Es gehört ihnen! Wenigstens zu 50 Prozent. Auch wenn sie nie eine Windel gewechselt oder das Gör zur Kita gebracht haben – sie haben dafür gezahlt! Und jetzt sind sie „ein Heer von verzweifelten Vätern“, wie Matussek meint. Bullshit! Es ist ein loser Haufen Arschlöcher!