Nicht einfach nur Bücher ins Regal stellen

■ Erika Werner, Lektorin der Öffentlichen Bücherhallen, geht zum September in den Ruhestand. Ein Gespräch

Jahrelang bestückte Erika Werner nicht nur die Ausleihbibliotheken der Stadt, sondern stellte auch den Kontakt zwischen berühmten sowie abseitigen AutorInnen und dem Hamburger Publikum her. Und als benötige dies noch Beweise, klingelt zu Beginn des Interviews, noch bevor die erste Frage ausgesprochen ist, das Telefon. Keine geringere als die türkische Autorin Aysel Özakin kündigt mit diesem Anruf ihren Besuch an, wie die Lektorin kurz darauf unprätentiös erzählt.

Erika Werner: Aysel Özakin will vorbeikommen. Sie lebt zur Zeit in England. Die ist immer so spontan: Nach drei Jahren ruft sie an und sagt: Ich komme morgen vorbei. (lacht)

taz hamburg: Sie haben Frau Özakin über Ihre Arbeit als Lektorin kennen gelernt?

Ja, aber das ist schon lange her.

Wie lange arbeiten Sie schon für die Öffentlichen Bücherhallen?

Jemand hat ausgerechnet, dass ich 38 Jahre dort gearbeitet habe. Es war eigentlich Zufall, dass ich Bibliothekarin geworden bin, da gab es keine innere Berufung. Ich bin zum Studieren nach Hamburg gekommen. Ich wurde aber nicht gebildet, sondern schwanger. Ich bekam aber Geldsorgen und fing an, als Büchereigehilfin zu arbeiten. Später machte ich mein Diplom und wurde 1983 Lektorin. Das heißt, ich war für das Titelangebot der Bücherhallen mitverantwortlich.

Darüber haben Sie aber doch nicht Kontakte zu Autorinnen wie Aysel Özakin geknüpft?

Nein. Ich habe vier Kinder und war immer ortsgebunden. Deshalb habe ich mich innerhalb der Bibliothek verändert. Seit ungefähr zehn Jahren organisiere ich literarische Veranstaltungen.

Gab es derartige Veranstaltungen in den Bücherhallen vorher nicht?

Sporadisch, ja, aber nicht mit dieser Regelmäßigkeit. Vor ungefähr zehn Jahren wurde die Lektoratsarbeit durch EDV umstrukturiert. Früher haben wir die Bücher sehr stark geprüft. Unserem damaligen Direktor Herrn Jochensen war es dann wichtiger, dass die Titel schnell in den Regalen stehen. Die Titelzahl wurde verdreifacht. Wir konnten den Büchern im Büro gerade noch hinterher gucken, so schnell ging das. Zum Ausgleich – er dachte, wir Lektoren hätten jetzt mehr Zeit – hat er uns vorgeschlagen, in der Öffentlichkeit zu wirken. Ich habe mich ziemlich in die Organisation von literarischen Veranstaltungen hinein gesteigert. Am Anfang habe ich auch einige Fehler gemacht. Hinter einer literarischen Veranstaltung steckt sehr viel Präzisionsarbeit. Eine frühe Veranstaltung fand mit pakistanischen Autoren statt, die einen Wust von handgeschriebenen Übersetzungen dabei hatten. Wir waren nicht vorbereitet. Eine Kollegin, die gut lesen konnte – hierfür allerdings nicht gut genug – sollte die Übersetzungen vorlesen. Wir hatten aber nicht verabredet, wie lange die Lesung dauern soll und so las sie und las sie und las sie... (lacht). Solche Sachen musste ich erst lernen.

Wenn ich mir die Lesungen anschaue, die Sie veranstaltet haben, fällt auf, dass sie sich auch sehr um unpopuläre Autoren und Veranstaltungen bemüht haben.

Da ich die Veranstaltungen immer als Öffentlichkeitsarbeit für die Bücherhallen verstanden habe, sollten sie auch immer niveauvoll sein. Meine Erfahrung ist, dass leichte Unterhaltung, die zwar massenweise bei uns ausgeliehen wird, als Veranstaltung nicht gut ankommen. Daraus kann man einen Event mit Luftballons oder so machen. Aber für das Image der Öffentlichen Bücherhallen ist es wichtig, das anspruchsvolle Bücher und Themen vorgestellt werden, auch wenn die Masse da gar nicht unbedingt hingeht.

Sie haben aber auch große Lesungen veranstaltet.

Ja, in den ersten fünf Jahren hatten wir auch riesige Veranstaltungen in der Zentralbibliothek. Elke Heidenreich war, glaube ich, die absolute Spitzen-Kandidatin. Es war unerträglich voll, man bekam kaum noch Luft. Unglaublich. Aber wir hatten auch Alice Schwarzer hier und Ralph Giordano und zuletzt David Lodge. Dann hatte ich immer weniger Geld zur Verfügung. Aber ich finde es unmöglich, Schriftsteller so runter zu handeln. Sie leben schließlich davon, es ist deren Job. Und man darf nicht vergessen, dass ich das nur nebenher gemacht habe. Ich habe sehr viele „freiwillige Aufbauschichten“ geleistet. Ich war ja in den letzten zwei Jahren auch noch Abteilungsleiterin. Von außerhalb kamen immer Anfragen und Lob, von innen betrachtet war es gerade zum Schluss eigentlich zuviel Arbeit. Ich bin von daher eigentlich sehr zufrieden, dass ich jetzt raus bin.

Wird es denn weiterhin literarische Veranstaltungen in der Zentralbibliothek geben?

Das ist unklar. Es muss etwas in diese Richtung gemacht werden. Man muss der Öffentlichkeit heute begegnen, man kann nicht einfach nur Bücher ins Regal stellen und die Tür öffnen. Leider ist die neue Direktorin nicht besonders kämpferisch, sie wehrt sich zu wenig gegen die Sparmaßnahmen der Kulturbehörde.

Und wie sehen Ihre Zukunftspläne aus?

Ich habe da schon Angebote, die will ich jetzt aber noch nicht ausbreiten. Interview: Lisa Scheide