Rosarote Laune

Der neue FC Bayern ist der alte: erfolgreich, effektiv, skrupellos. Schalke 04 zog mit 0:3 von dannen

MÜNCHEN taz ■ Was Neues bei den Bayern? Nö, nicht wirklich. Die Sonne scheint über dem Olympiaberg, Ede Stoiber hat die Stadionkrawatte nicht ganz so staatsmännisch geknotet und unten schießen sie ein Tor nach dem anderen. Diesmal gegen Schalke, den 4,38-Minuten-Meister der Herzen. Nach einer Viertelstunde hatten noch gar nicht richtig angefangen, dank Pizarro und Scholl aber schon zwei Tore auf dem Konto und damit das Tagwerk getan. So läuft ’s Business beim FC Bayern, seit vielen Jahren schon.

Mühsam ist die Suche nach Veränderungen beim Champions-League-Champion. Sie dauert bis Seite 80: Überraschung im Stadionbuch des Rekordmeisters! Unter der Rubrik „Biete“ steht dort: „Biete Bayern-Kutte, Größe XL, 49 Aufnäher und 14 Autogramme, VB 350 DM.“ Holla, was ist denn hier los? Ein Fan, der seine Kutte verkauft! Konvertiert der etwa? Wird ihm XL zu knapp? Oder hat er eine Sechzgerin geheiratet? Aber eine Kutte verkaufen – das geht doch nicht. Irgendwas müssen sie doch etwas falsch gemacht haben beim FC Bayern.

An der Oberfläche merkt man nichts davon. Vielmehr hat man die neue Leichtigkeit entdeckt. Spaß heißt das Saisonziel. An vorderster Front: Wer sonst als Franz B. aus K.? „Ich wünsche mir mehr Spaß und Spielkultur.“

Auch Manager Uli Hoeneß, sonst eher stark in der Rolle des „Mr. Verbissen“, geht auf Schmusekurs: „Wir wollen viel Vergnügen bieten.“ Und weiter: „Titel sind nicht mehr so wichtig“, meint Beckenbauer. „Mit einer gewissen Spielkultur bleiben Titel von selbst hängen.“ Gehört, Ottmar? So einfach ist das. Hoeneß legt nach: „Die Bundesliga wird am Ende die stärkste Liga der Welt werden.“ Und dass Deutschland 2006 Weltmeister wird, das sagt er dann auch noch. Rosarote Laune beim FC Bayern. Und als hätte man ihnen das Spielkultur-Gen implantiert, so gingen die Roten im ausverkauften Olympiastadion an die Arbeit. Herausragend im kulturellen Bereich: die Fummler und Knödelkönige Scholl, Elber, Pizarro. Nicht weniger als „Wunderdinge“ hatte Hitzfeld von seinem neuen Sturm-Duo Elber/Pizarro erwartet, und Letzterer ließ sich nicht lange bitten. 6. Minute: 1:0 nach Pass von Scholl. 13. Minute: Freistoßtreffer Scholl, Gang raus, laufen lassen. Beckenbauer über Pizarro: „Der gefällt mir.“

Überhaupt, die Neuen: Bei Bayern standen alle vier in der ersten Elf, bei Schalke keiner der fünf Zugänge. Während Pizarro und Niko Kovac (Kopfballtreffer in Minute 39 nach Eckball Scholl) als Torschützen brillierten, verbrachten Pablo Thiam und Robert Kovac einen eher ruhigen Nachmittag gegen den vermeintlichen Traumsturm der Schalker. Nach dem missratenen Auftakt beim Aufsteiger Gladbach ließ Hitzfeld die Viererkette wieder zu der im letzten Jahr so erfolgreichen Dreierkette schmelzen: Abwehrchef Thiam und die Manndecker Linke und Kovac. Selbst Stefan Effenberg, den Chef, vermisste niemand. Der „Tiger“ saß mit Kaugummi und ätzender Spiegelbrille auf der Tribüne und klatschte verhalten.

Auch Huub Stevens applaudierte. Allerdings nicht dem Bayern-Wirbel, sondern Schiedsrichter Herbert Fandel, der mit seiner strittigen Freistoßentscheidung das 2:0 vorbereitet hatte. Wie ein Schumi-Start ohne Aufwärmrunde wirkte der Vizemeister, der in München sein erstes Saisonspiel bestritt. Das neue High-Tech-Heim in Gelsenkirchen ist noch nicht fertig, und schon vor der Partie fürchtete Stevens, dass all die Werbespots und PR-Termine zu sehr vom Wichtigsten ablenken: vom Fußball. Und so geriet das erste Spiel zum Unterhaltungsprogramm des Meisters: stehen, staunen, zugucken. Sie hatten keine Chance gegen die gut gelaunten Bayern.

Die Rollen sind also verteilt, das Spiel „Alle gegen Bayern“ kann wieder losgehen. Die haben das Saisonziel fest im Blick und schon erste Erfolge verbucht. Stoiber hatte „große Spielfreude“ entdeckt, und Chef-Grantler Beckenbauer meinte: „Es hat wirklich Spaß gemacht.“ Der neue FC Bayern: erfolgreich und schön. Beileid, Liga.

THOMAS BECKER