musterprozess in augsburg
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Vor der 3. Zivilkammer des Augsburger Landgerichts beginnt heute der Rechtsstreit gegen die insolvente Infomatec AG. Tausende von Anlegern hatten sich vom Börsengang der einst hochgelobten Firma aus Gersthofen bei Augsburg einen dicken Gewinn erhofft. In drei so genannten Ad-hoc-Meldungen wurden insgesamt Aufträge in Höhe von 160 Millionen Mark vorgegaukelt. Doch zum Teil sei das gemeldete Auftragsvolumen um 714 Prozent über dem tatsächlichen Auftrag gelegen, sagt der Anwalt der Kläger (siehe Interview). Einmal sei sogar ein Vertrag mit einer Gesellschaft in Wales per Ad-hoc-Meldung verkündet worden, bei der es erhebliche Zweifel gibt, dass diese überhaupt existiert.

Insgesamt wirft der Infomatec-Absturz ein negatives Bild auf den Neuen Markt. Der Insolvenzverwalter der Infomatec AG, der Wirtschaftsprüfer Werner Schneider, wickelt derzeit rund 200 Insolvenzverfahren ab. Er sagt, die IT-Branche unterscheide sich von den Unternehmen der Old Economy dadurch, dass sich regelmäßig Geschäftsideen, die in irgendeiner Software Niederschlag gefunden haben, einer Bewertung entzögen. Häufig habe eine Software nur dann einen reellen Wert, wenn die Entwickler mit dem Produkt verbunden blieben. Doch dies sei oft nicht der Fall.

„Nachdem die Zunft der IT-Beschäftigten eine gesuchte Spezies am Arbeitsmarkt ist, bieten Headhunter schon im Vorfeld einer Insolvenz den wichtigen Mitarbeitern dieser Unternehmen Verträge an. Es ist deshalb sehr schwierig, IT-Unternehmen in der Insolvenz sinnvoll weiterzuführen beziehungsweise neu zu strukturieren“, so Schneider. Die IT-Branche müsse versuchen, sich etwas realitätsnäher zu bewegen, insbesondere bei Planungen von Geschäftsideen. „Und sie sollte sich immer wieder die Frage stellen: An wen kann ich eine Rechnung schreiben? Irgendwann ist das Geld weg, und wenn bis dahin kein verkaufsfähiges Produkt da ist, ist die Insolvenz unvermeidbar.“ KLAUS WITTMANN