Ritter der Synthesizer

■ „Blackmore's Night“ erweisen sich in Oldenburg als Meister des Musik-Mixes

Über dem düsteren Burgtor wehen lange, schmale Fahnen, ringsumher werfen Fackeln geheimnisvolle Schatten auf das Mauerwerk – das Mittelalter hat Einzug gehalten in die Oldenburger Weser-Ems-Halle. Auf der Bühne: die Gruppe Blackmore's Night. In langem dunklen Rock und weitem Umhang steht Sängerin Candice Night vorne an der Bühne, könnte sich aber genauso gut als Burgfräulein durch die düsteren Gänge einer mittelalterlichen Burg bewegen. Der Rest der Band – alles Männer, unter ihnen Leadgitarrist Ritchie Blackmore – sieht mit den halblangen dunklen Zotteln allerdings eher aus wie eine Mischung aus Ritter und Wolfgang Petri.

Musikalisch besteht hier aber nicht der geringste Anlass zu einer Verwechslung, denn was Blackmore's Night in über zwei Stunden aufführen, ist eine ausgesprochen hörenswerte Mischung aus moderner Rockmusik und Melodien des 16. Jahrhunderts – die natürlich eher der Renaissance als dem Mittelalter entspringen, gemeinhin aber mit „mittelalterlich“ assoziiert werden. Glockenschläge und Orgelklänge mischen sich mit Schlagzeug-Rhythmen und Keybordsounds, Trommeln und Bässe wummern ohrenbetäubend durch die Halle, während mittendrin eine Geige singt. Und immer wieder die Stimme von Candice Night. Die US-amerikanische Sängerin führt nicht nur als Entertainerin durch den Abend, ihre faszinierende, dunkle Stimme ist es vor allem, die die einzelnen Stücke zusammenhält und in einigen Augenblicken sogar eine Gänsehaut verursacht, so samtweich und dennoch glasklar ist sie.

Temporeiche, mitreißende Lieder wechseln mit langsamen, traurigen Melodien, Gesangsnummern mit Instrumentalstücken. Beinahe assoziativ taucht immer wieder eine bekannte Melodie auf und verschwindet wieder, zwischendurch sind raffiniert Geigen- und Gitarrensoli eingeflochten. „Virtuos“, konstatiert mein musikalisch versierter Begleiter flüsternd. „Die verstehen was von ihrem Fach!“ Daran kann es kaum Zweifel geben, für die Fans schon gar nicht. Schnell hält es das Publikum nicht mehr auf den Stühlen, und auch mein Sitz fängt an, im Klatsch-Rhythmus mitzuwackeln. Die ersten Reihen singen mit, am Rand tanzt sich ein barfüßiges Mädchen in Trance, und jubelnder Applaus folgt auf jede Nummer.

Nach einer Stunde dann einer der Höhepunkte des Abends: „Fires at midnight“, Titelsong des neuen Albums und Namensgeber für diese Konzerttour. Zu Anfang ein fast schon elegisches Stück, getragen und melancholisch, trotzdem auch voller Kraft und Intensität. Nach einigen Takten steigern sich die Musiker jedoch in einen regelrechten Spiel-Rausch mit wilden Gitarrenpassagen, immer schneller, immer begeisterter.

Ob das bei Ritters anno dazumal wohl auch so Sitte war? Wer weiß ... Bodil Elstner