berliner szenen
: Capri im Blumenladen

Muff mediterran

Die Künstlerinnen haben ihre Ausstellung „Capri“ genannt. Das klingt schön nach dem gelben Eis, das alle so gerne kaufen. Der Galerieraum ist ein aufgegebener Blumenladen. Er liegt in dem Abschnitt der Brunnenstraße, der abzuwarten scheint, ob er vom armen Wedding oder von der reichen Mitte eingeholt wird. Als sie die übrig gelassene Ausstattung des Blumenladens sahen, dachten die Künstlerinnen an mediterrane Farben und den Muff der 50er-Jahre.

Wegen der weißen Fliesen, blauen Profilleisten und festgezimmerten Blumentreppchen heißt ihr Projekt der künstlerischen Zwischennutzung jetzt „Capri“. Und natürlich wisse man bei einer solchen Ausstellung, dass man für die Gegend als Pionier der Gentrification herhalte, also der Aufwertung der Brunnenstraße mit allen negativen Folgen Vorschub leiste, sagte die Künstlerin Bettina Carl bei der Eröffnung am vergangenen Wochenende.

An den Wänden hängen nun Gebilde aus Würfelzucker und bunte Collagen. Eine Sprechblase meint: „Mr. Gesetz ist supernett“. Die vorgegebene Struktur des Blumenladens setze sich an den Wänden fort, erklärte Bettina Carl. Es gehe um die Aufhebung von Hintergrund und Vordergrund, Grenzen würden aufgelöst, zwischen Original und Kopie sowie zwischen ihren eigenen Zeichnungen und den Arbeiten der beiden anderen Künstlerinnen Ina Bierstedt und Alena Meier. Das funktioniert. Tatsächlich wurde einem fast schwindlig von all den Linien, die jetzt irgendwie psychedelisch den gekachelten Raum durchschneiden.

In einem hinteren Flur erzählen Diaprojektoren dann eine Geschichte von verlorenen Bildern. Einmal, so erfährt man aus den Dias, verschwindet das Werk eines Straßenmalers aus Venedig, weil die Touristin die Pappröhre mit seinem realistischen Aquarell in einem Café am Dogenpalast liegen gelassen hat. Auch die Wirklichkeitsproduktion eines Schweizer Zeichners, den die Künstlerin im Naturkundemuseum beobachtet hat, misslingt. Dem Zeichner gelingt es nicht, die ausgestopften Menschenaffen naturgetreu zu kopieren. Es dreht sich demnach um die Dialektik zwischen den Bildern, die man im Kopf hat, und denen der Realität – eine Grundfrage von Kunst also, sagte eine der „Capri“-Künstlerinnen. Alle drei Frauen haben an der Hochschule der Künste Berlin studiert. KIRSTEN KÜPPERS