der homosexuelle mann . . . von ELMAR KRAUSHAAR
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. . . darf jetzt nicht übermütig werden. Die Lizenz zur Rumpf-Ehe ist kein Freifahrschein für blanken Exhibitionismus: „Männer, die sich küssen, Lesben die sich umklammern – muss ich das jeden Tag sehen?“, fragt besorgt Peter Meyer im Hamburger Abendblatt. Die Antwort gibt Meyer sich selbst: „Auch schwule Liebe sollte Privatsache bleiben.“

Da ist es wieder, das „privat“. Sobald ein Schwuler einmal öffentlich „Ecce Homo!“ schreibt, halten zehn hysterische Heteros dagegen: „Maul! Privatsache!“ Nicht nur Berlins Regiermeister Wowereit kann ein paar Lieder davon singen. Warum ist das so? Geht da die Post ab in den Köpfen der Heterosexuellen? Schweinische Fantasien ohne Ende? Oder ist es nur die schlappe Abwehr des ungewohnten Anblicks?

Mein Kollege Thomas ist ein richtiger Mann und kennt jede Bundesligamannschaft. Passen muss er dagegen beim Frauenfußball: „Alles Lesben!“, hyperventiliert er. Der blanke Ekel steht ihm ins Gesicht geschrieben. Dabei küssen die sich noch nicht mal nach ihren Toren. Allein die Vorstellung, hier habe er es womöglich mit Frauen zu tun, die nichts mit ihm zu tun haben wollen, lässt ihn jede Fassung verlieren. Dass er einen Knall hat, weiß Thomas, aber er kann nicht anders: „Wenn schon Frauen im Sport, dann lieber mit Bielmann-Pirouette“.

Jonas hat zwei Töchter, eine Frau im Schneiderkostüm, fährt Cabrio und hält es für einen ausgebufften Gag, demnächst Gregor Gysi zu wählen. „Der Beck“, ist Jonas kaum zu zügeln, „dieser grüne Berufsschwule, wenn ich dessen Visage schon sehe“, die Stimme kippt, beinahe beißt sich Jonas auf den Daumen vor Wut. Dann ist Stille, mehr wollte der junge Erfolgreiche nicht sagen, mehr nicht. Vorsichtige Gegenfrage: „Was hast du denn gegen den?“ – „Der soll mich nur in Ruhe lassen, dieser . . . dieser Schwule!“ Damit ist das Thema abgehakt, denn keiner will auch noch in Jonas’ Kindheit steigen und nach Ursachen fahnden.

Martin hat auch zwei Töchter, eine schöne Frau und eine Eigentumswohnung in Mitte. Martin sieht blendend aus, ein Hingucker ohne Zweifel und sportlich obendrein. Zum Schwimmen geht er bevorzugt ins Tuntenaquarium, das Stadtbad, unter dessen Duschen sich gern schwule Männer kontaktieren. Quietschvergnügt steht Martin mittendrin, seift sich ein und plaudert mit seinem Strahlnachbarn: „Ein leckerer Schwanz“, sagt der, und Martin revanchiert sich freundlich: „Besten Dank und Kompliment zurück, bei allem, was recht ist.“ Dann trocknet Martin sich langsam, ganz langsam ab – schließlich ist er nicht alleine – und muss nach Hause. Das hat wieder mal gut getan. „Ich bin ein Arschbetrüger“, denkt Martin und freut sich diebisch über diese treffende Beschreibung.

Homosexuelle können „privat“ sein oder „öffentlich“, es ist wurscht in den Augen der andern. Die sehen ihren ganz eigenen Film, und die Tricks, ihre innere Balance zu halten, kommen von werweißwoher, als gleichgeschlechtliches Gegenüber hat man darauf keinen Einfluss. Heteros sehen nur die Abweichung, dass die Distanz so groß auch wieder nicht ist, käme ihnen nie in den Sinn.