Atomkonsens: akzeptabel oder nicht?

Die Anhörung zum Atomkonsens gestern in Bonn demonstrierte, wie sehr das Thema Atom noch immer die Gesellschaft spaltet. Die Umweltverbände zogen aus, weil sie sich nicht genügend beteiligt fühlen. Unschöne Details im Vertrag

von MATTHIAS URBACH

Auch acht Wochen nach der abschließenden Unterzeichnung des „Atomkonsenses“ zwischen Regierung und Industrie ist der gesellschaftliche Konflikt um die Atomkraft alles andere als befriedet. Das offenbarte gestern die Anhörung der Atomgesetznovelle durch das Bundesumweltministerium in Bonn. Einhellig lehnten dort sechs Umweltverbände – vom BBU, Nabu, IPPNW über Greenpeace und BUND bis zum Dachverband DNR – das Verfahren ab. „Die Anhörung ist eine Farce“, erklärten die Umweltschützer unisono. Schließlich dürfte die rot-grüne Regierung samt ihrer Fraktionen an der Novelle nichts mehr ändern, um den Konsens mit der Industrie nicht zu gefährden.

Aus Protest gegen dieses „undemokratische“ Verfahren verließen die Umweltschützer nach ihren Stellungnahmen vorzeitig die Anhörung – darauf hatte man sich vorab geeinigt. „Die Regierung hat sich von der Atomindustrie über den Tisch ziehen lassen“, sagte Susanne Ochs von Greenpeace. Und der BUND legte eins drauf: Die Novelle garantiere „in Wirklichkeit den Betrieb der Atomkraftwerke bis zu ihrem technisch und wirtschaftlich bedingten Ende“.

Nun mag die Kritik und der Auszug der Umweltverbände verständlich sein, angesichts der Kungelrunden mit der Industrie im Kanzleramt, die zum „Atomkonsens“ führten. Doch auch von Seiten der Industrie gab es harsche Kritik: „Sowohl ökonomische als auch ökologische Gründe sprechen dafür, die Option Kernenergie zu erhalten“, sagte Ludolf von Wartenberg, Geschäftsführer des Bundesverbandes der Industrie (BDI). Die Novelle stelle daher die Weichen der Enegieversorgung falsch.

Etwas diplomatischer äußerte sich das Deutsche Atomforum: Zwar stelle die Novelle einen „akzeptablen Kompromiss“ dar und entspreche der „Vereinbarung zwischen Bundesregierung und Energieversorgungsunternehmen“. Das Wort „Atomkonsens“ jedoch vermeidet das Atomforum - und fügt an: „In der Sache“ sei die in der Novelle zum Ausdruck kommende Politik „falsch“. Die „Kernenergie“ sei „ethisch verantwortbar“ und trage „zur Schonung der Umwelt bei“. Nun aber beschreite Deutschland einen „nationalen Sonderweg“.

Unter den Umweltschützern ist allein der Naturschutzbund (Nabu) etwas moderater. Als einziger erkennt deren Chef Jochen Flasbarth den Ausstieg als solchen an. Dass es überhaupt zu einer Laufzeitbegrenzung gekommen sei, sei ein Erfolg – und zwar vor allem ein Erfolg der Umweltbewegung. Doch die vielen kleinen unschönen Details frustrieren auch die Nabu-Experten. So feiert Umweltminster Jürgen Trittin die „periodischen Sicherheitsüberprüfungen“ der Meiler als einen großen Erfolg. Frank Musiol ist dem nachgegangen. „Wenn man die Daten für die erste Überprüfung heraussucht, so zwischen 2002 und 2009, sowie berücksichtigt, dass nur alle zehn Jahre geprüft werden solle und drei, vier Jahre vor Abschalten nicht mehr – dann gibt es praktisch keine Anlage mehr, die zweimal überprüft wird.“