Lächeln und Schubsen ausgeschlossen

■ Landgericht Verden: Die Witwe des getöteten Arbeitsamtsdirektors sagt aus

„Mein Mann“, sagt die Witwe des getöteten Klaus Herzberg, „hat sehr wenig gelächelt, wenn kein Grund dafür vorhanden war.“ Doch am Morgen des 6. Februar soll er gelächelt haben. Klaus Herzberg, Direktor des Arbeitsamts Verden, wurde an diesem Morgen von dem arbeitslosen Ingenieur Werner B. getötet.

In dem gestern fortgesetzten Prozess vor dem Landgericht Verden hatte der Angeklagte zuvor durch seinen Anwalt erklären lassen, der Amtsdirektor habe gelächelt und ihn zurückgestoßen, als B. ihn gebeten habe, die ihm wegen einer abgebrochenen Weiterbildung gesperrte Arbeitslosenhilfe dennoch weiterzuzahlen (siehe taz vom 4.8.). Wenig später hat Werner B. mit einem Dreikantschaber zugestochen.

Das Lächeln also hielt die Witwe gestern für ausgeschlossen. Dass ihr Mann den Angeklagten zurückgeschubst habe, ebenso: „Er hat den körperlichen Kontakt sehr gescheut, auch zu Freunden. Er hätte ihn nie angefasst. Er war sehr introvertiert.“ Überhaupt: „Er war ein sehr ruhiger Mensch. In den 32 Jahren, wo wir verheiratet sind, war er nie aggressiv.“ Die 64-Jährige hatte an jenem Morgen mit ihrem Mann beim Frühstück gesessen, ihn – „so war's immer“ – zur Tür begleitet, gesehen wie er per Fernbedienung schon das Garagentor öffnete. „Das war seine letzte Amtshandlung: Er hat so gemacht“, sagt die Witwe und drückt mit dem Daumen auf den imaginären Knopf, „und ist rausgegangen.“

Von seiner Begegnung mit B. vor der Garage auf der anderen Seite des Hauses hat sie nichts mitbekommen. Aber „ich war irgendwie beunruhigt.“ Sie sei aufgestanden, durchs Zimmer gegangen, habe aus dem Fenster geschaut. „Ich kann Ihnen nicht sagen, warum ich aufgestanden bin“, erklärt sie dem Richter. Der fragt sie nach dem „lauten Rascheln“, von dem sie in ihrer ersten Vernehmung sprach. „Ich hab' gedacht, es sei ein Vogel“, antwortet sie.

Eine Nachbarin der Herzbergs bestätigt später die Zurückhaltung des Amtsdirektors, ein „netter, hilfsbereiter, lieber Nachbar“ sei er gewesen. Doch sie habe auch erlebt, dass er „rüde“ werden konnte, dass er beispielsweise mit Jugendlichen vor seinem Haus „geschimpft habe, manchmal ein biss-chen derb.“

An diesem Vormittag erscheint noch die Ärztin vor Gericht, die den toten Klaus Herzberg obduziert hat. Vor ihr auf dem Zeugentisch hatte sie einen Abguss der Schädeldecke des Toten liegen, um zu demonstrieren, an welchen Stellen überall der Dreikantschaber den Knochen durchbrochen hat. Mit „großer Wucht“ sei auf Herzberg eingestochen worden, durch die Oberlippe in den Kiefer, über den Ohren, in den Hinterkopf, in den Nacken, insgesamt 28 Mal.

Währenddessen sitzt scheinbar regungslos der Sohn des Getöteten daneben. Auf seinem Tisch ist ein Zettel mit Tesa festgeklebt, darauf steht mit blauem Filzer geschrieben: „Nebenklage“. „So war mein Vater auch“, sagt er später über seine äußere Ruhe im Verhandlungsraum. Die Polizei habe ihm gesagt, sein Vater sei sofort tot gewesen. „Mit der Information bin ich heute hierher gekommen.“ Und musste die Details des Todes, die Fragen der Richter nach einem möglichen Kampf anhören. Der Sohn ist enttäuscht. Er findet, dem Angeklagten werde zu viel, den Angehörigen des Opfers zu wenig Raum eingeräumt. Er hält Bs. Schilderung seiner Ängste vor dem Abstieg in die Sozialhilfe für „eine Frechheit“. Für ihn ist Werner B. einer, dem in seinem Leben offenbar noch nie so richtig was gelungen sei. Bis auf den Mord an Klaus Herzberg.

Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt. Thema wird dann voraussichtlich das psychologische Gutachten des Angeklagten sein.

Susanne Gieffers