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Weg vom Schmuddelimage

■ Bremen – Hochburg der Call-Center? Die Branche ist in Aufruhr, es fehlen qualifizierte MitarbeiterInnen

Den Call-Centern gehen die Mitarbeiter aus: Heute bewerben sich viermal weniger Telefonierwillige als noch vor drei Jahren. Die einstige Boom-Branche ist in Aufregung. Der Verein Call Center City Bremen (CCCB), in dem etwa die Hälfte der 50 Bremer Call-Center – branchenüblicher Kurzbegriff: „CC“ – zusammengeschlossen sind, will nun das Ansehen der Telefonierjobs verbessern und „offensiv“ auf den Arbeitsmarkt zugehen.

„Mit CC werden Arbeitsplätze in Verbindung gebracht, die öffentlich nicht so sehr angesehen sind“, umschreibt Christoph Wiegmann von CCCB das Problem. Die Folge: „Für CC in Bremen wird es immer schwieriger, Personal zu finden“. Die Konkurrenz insbesondere um MitarbeiterInnen mit Zusatzqualifikationen nimmt zu, Neuansiedlungen weiterer Call-Center werden misstrauisch beäugt.

Ursache für den Rückgang der Bewerberzahlen ist nicht zuletzt der schlechte Ruf, an dem die Branche, die bundesweit 230.000 Menschen beschäftigt, nicht ganz unschuldig ist. Niedrige Löhne und prekäre Arbeitsverhältnisse, mangelnde Aufstiegsmöglichkeiten und unbeliebte Arbeitszeiten sowie der bisweilen hartnäckige Widerstand einiger Betreiber gegen Betriebsräte und Tarifverträge sorgten in den vergangenen Jahren für den Boom begleitende Schlagzeilen. „Schwarze Schafe“, wiegelt Wiegmann ab. „Nur der geringste Teil“ der Beschäftigungsverhältnisse seien kurzfristige, Tarifverträge inzwischen die Normalität und trotz häufiger Rund-um-die-Uhr-Erreichbarkeit der Hotlines arbeiteten die Angestellten „größtenteils während der normalen Arbeitszeiten“. Wiegmann macht zudem „interessante berufliche Weiterentwicklungsmöglichkeiten schon nach kurzer Zeit“ aus.

Diese Einschätzung mag weder Hella Baumeister von der Arbeitnehmerkammer Bremen noch Hugo Waschkeit von der Projektgruppe CC der Gewerkschaft ver.di teilen. Insbesondere bei den so genannten externen CC, also Dienstleistungsunternehmen, welche im Auftrag von anderen Firmen deren Kunden per Telefon betreuen, sehen sie noch viele Missstände. „Im Landesbezirk Niedersachsen-Bremen ist mir nicht ein externes Call-Center mit Tarifvertrag bekannt“, stellt Waschkeit klar; Stundenlöhne zwischen zehn und 20 Mark seien bei den einfachen „Agents“, die etwa 80 Prozent der Beschäftigten ausmachen, keine Seltenheit. Klagen über „Arbeitszeiten und Entlohnung“ kommen dem Gewerkschafter im Gespräch mit CC-Angestellten häufig zu Ohren.

Unterschiedliche Auffassungen gibt es auch über die Funktion von CC-Arbeitsplätzen als „Sprungbrett“ für den (Wieder-)Einstieg in den Beruf. Zwar sieht auch Baumeister aufgrund der flachen Hierarchien Karriere- und Einstiegsmöglichkeiten. Die überwiegend im „training on the job“ gewonnenen Fähigkeiten seien jedoch außerhalb der Branche kaum zu verwerten. Ein Großteil der Fluktuation unter den Beschäftigten findet dementsprechend zwischen den einzelnen CC statt.

Indessen wird die unzureichende Ausbildung der Agents immer mehr zum Problem. „Gegenwärtig bedient sich der CC-Markt qualifizierter Arbeitskräfte, die anderswo ausgebildet worden sind“, betont Baumeister. Zwar förderte der Bremer Senat in Zusammenarbeit mit dem Arbeitsamt weit über 1.000 Weiterbildungen zum CC-Agent, die so vermittelte Qualifikation reicht jedoch nur für einen „Einstiegsjob“ aus. Der Versuch von CCCB, zusammen mit der Arbeitssenatorin für Azubis in verwandten Berufen eine Zusatzausbildung zu organisieren, stieß bei den CC-Betreibern bislang nur auf äußerst geringes Interesse. Die zunehmende Konkurrenz könnte daran einiges ändern. Denn Ausbildungsplätze sind laut Baumeister auch „Indikator für Imageverbesserungen“. Sogar ver.di findet mit ihrer Forderung nach Tarifvertrag und einheitlichen Arbeitsbedingungen inzwischen bei einigen Unternehmern der Branche Gehör: Die Call-Center fürchten ihr eigenes Sozialdumping. Armin Simon

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