Monster sind zu verurteilen

Philosophie, Zeitreiselöcher und Angstlust: Heute beginnt das 15. Fantasyfilmfest für Sciencefiction, Horror und Thriller

von DETLEF KUHLBRODT

Im August ist es schön, im Kino zu sitzen und auf die Leinwand zu starren. Besonders gut zur Hitze passen Horrorfilme, weil die Hitze einen oft schläfrig macht. Deshalb ist es eigentlich schade, dass das Fantasyfilmfest, das von München aus die Republik bereist, kein reines Horrorfilm-Filmfest ist. Fantasyfilm klingt sowieso etwas dämlich und nach Abenden, an denen das Erwartete in Hochglanz geschieht, ohne dass es einen weiter angehen würde. Vielleicht sollte man das Fantasyfilmfest einfach in Phantasiefilmfest umbenennen, was allerdings auch ein bisschen ausgedacht klingt.

Wie auch immer. Es ist nicht ganz einfach, über das mit 104 Filmen recht umfangreich bestückte Programm zu schreiben, wenn man in den Pressevorführungen gerade drei Filme sehen konnte. Eröffnet wird das Fest mit Christophe Gans’ „Pakt der Wölfe“, einem 140-minütigen actionreichen Historienfilm, der recht opulent daherkommt. Der Film spielt 20 Jahre vor der französischen Revolution und erzählt gemächlich von einer Verschwörung, hinter der letztlich die katholische Kirche steckt. Ein Ungeheuer sorgt in der Provinz für großen Schrecken. Frauen und Kinder sind seine bevorzugten Opfer. Der so gebildete wie kampfgewandte Philosoph und Naturkundler Gregoire de Fronsac wird vom König in die befallene Gegend gesandt, um die Geschehnisse zu untersuchen. Begleitet wird er von seinem getreuen Freund Mani, einem winnetouesken Irokesen, dem später das Erwartete geschieht. Zwischendrin bleibt natürlich auch Zeit für allerlei höfische Romanzen. Die antiklerikalen Affekte des Films machen viel Spaß. Nur schade, dass man es nicht vermieden hat, das Ungeheuer abzubilden, das an eine Kreuzung zwischen Wolf und Drachen denken lässt. Die Tendenz zur Abbildung ausgedachter Ungeheuer ist zu verurteilen, denn sie macht einem die ganze Angst kaputt!

Auch in Richard Kellys an sich recht schönem „seriösem“ Sciencefictionfilm „Donnie Darko“ kommt so ein blödes Monster daher, das aussieht wie ein großer Hase und dem schlafwandelnden juvenilen Helden das Ende der Welt ankündigt. In dem Teenager-Film, der 1988 in der Reagan-Ära spielt, geht es um Schule, Just-say-no, Prozac, durchgeknallte christliche Positive-Thinker, komplizierte Zeitreiselöcher und solche Dinge. Der sehr amerikanisch antiamerikanische Film ist prima und wäre noch besser, wenn er nicht so mit Musik zugekleistert wäre.

Animationsfilme wie der japanische „Vampire Hunter D“ sind Geschmackssache. Die typische Mischung aus Mittelalter- und futuristischen Elementen zu mögen ist eine Frage des Alters; die amerikanische Big-Brother-Variation „Series 7“ gut zu finden ist dagegen eine Frage des intellektuellen Anspruchs. Wer die Idee einer Reality-TV-Serie, deren Teilnehmer sich erschießen sollen, verfilmt, gehört meiner Ansicht nach sofort in den Bio-Container. Viel anderes gibt es auch noch: eine Asienreihe, ausgesuchte Hits anderer Festivals; „Mortal Transfer“, den interessant klingenden Film über einen frustrierten Psychoanalytiker von Jean-Jacques Beneix. Reizvoll klingt der Pressetext für den jugoslawischen Film „Mechanism“ von Djordje Milosavljevic, in dem es um üble Auftragsmörder geht. „Alles an diesem Film ist trist, hoffnungslos und knochentrocken realistisch.“

Adam Simons Dokumentarfilm „The American Nightmare“, der schon im Forumsprogramm der Berlinale zu sehen war, ist ein Must für all die, die sich für die gesellschaftlichen Hintergründe der großen amerikanischen Horrorfilme der 60er- und 70er-Jahre interessieren. Der Film erinnert an Zeiten, in denen noch der reale gesellschaftliche Horror – Vietnam und der rassistische Süden – verarbeitet wurde; in denen Horror- und Splatterfilme subversiv waren, weil sie sehr alltagsnah den Albtraum im amerikanischen Traum zeigten. Von der Konsumkritik in Romeros „Night of the Living Dead“, in dem die Shopping Malls von seelenlosen Zombies bevölkert werden, der Kleinfamilienkritik in „Nightmare in Elm Street“ über den Horror des Vietnamkriegs, der in diversen Splatterfilmen präsent ist, bis zur vielleicht schon etwas zu konsensmäßigen Yuppieverdammung in „Texas Chainsaw Massacre II“. Wes Craven, George Romero, John Carpenter, Tobe Hooper und David Cronenberg erzählen aus einer Zeit, in der Horrorfilme noch nicht so alltagsfern daherkamen.

Am meisten aber freu ich mich auf Dario Argentos neues Werk mit dem schönen Titel „Sleepless“. Zwar hat der Altmeister der Angstlust, der ironiefreie Neil Young des pathetischen Horrorfilms, in den letzten 12 Jahren nicht mehr an seine Meisterwerke „Tenebrae“, „Phenomena“ oder „Suspiria“ anknüpfen können, doch auch seine letzten Filme waren noch großartige italienische Farbenräusche.

Das Fantasyfilmfest dauert bis zum 15.8., alle Filme laufen im Cinemaxx am Potsdamer Platz, Programm unter www.fantasyfilmfest.de