Wahlmöglichkeiten sollen Drill ablösen

Auch Japans Schule ist durch die internationale TIMSS-Studie unter Druck geraten – aber aus ganz anderen Gründen. Japans Schulkinder können Mathe und Naturwissenschaft, jetzt sollen sie es auch lieben lernen

Japan, ein Vorbild in der Bildung? Man könnte diesen Fehlschluss ziehen, wenn man die dritte internationale Mathematik- und Naturwissenschaftsstudie (TIMSS) studiert. Die Studie, die in den meisten Industrieländern beispiellose Bildungsanstrengungen auslöste, stellt Japan ein glänzendes Zeugnis aus. Anders als etwa in Deutschland oder den Vereinigten Staaten, heißt es da, ist „Japanischer Mathematikunterricht Problemlöseunterricht“. Er zeichne sich „durch intelligente Formen des Anwendens und Übens“ aus. Japanische Schüler hätten „mehr Zeit zur Entfaltung“ als Schüler aus den anderen beiden Ländern. Warum also Reformen?

Dass Japans Schüler mit ihrem mathematischen und natur-wissenschaftlichen Können seit langem an der Weltspitze stehen, bezweifelt niemand. Aber ihre Neigung zu diesen Fächern ist nur gering. In der Kategorie Interesse belegen sie daher im internationalen Vergleich nur noch den vorletzten Platz. Für japanische Eltern und Pädagogen ist das Besorgnis erregend. Sie befürchten, dass eine Ablehnung von Fächern irgendwann zu einem Verlust des Wissensstandards führen könnte.

Nun treibt das Bildungsministerium Reformen voran, die bis 2002 die Konformität der japanischen Schulen auflockern soll. Mit Beginn der Junior High School, also ab der siebten Klasse, soll künftig Wahlunterricht möglich sein. Zuvor sollen die Lehrer in den unteren Klassen mit den Schülern öfter auch praktisch arbeiten können.

Was in Japan heftige Diskussionen auslöst, ist der Vorschlag, eine Art zivilen Pflichtdienst für SchülerInnen einzuführen. Der soll zur moralischen Erziehung beitragen. Kritiker bemängeln aber, dass die Kinder abermals durch Zwang zu etwas gedrängt werden, das sie aus eigenem Antrieb machen sollten. Was die Kinder bräuchten, sei nicht ein weiteres Pflichtprogramm, sondern Vorschläge, aus denen sie wählen können.

Um die berüchtigten Eintrittsprüfungen an den Schulen zu reduzieren, wollen die Reformer außerdem die bisher getrennten Junior High School (Klassen 7 bis 9) und High School (Klassen 10 bis 12) zusammenlegen. Auf diesem Weg würde eine Prüfung wegfallen. Die Kinder müssten nur noch für den Eintritt in die Unis Tests ablegen.

Die Vorschläge der Beratergruppe, die die Bildungsreform durchführen soll, sind allerdings sowohl von rechts als auch von links auf starke Kritik gestoßen. Die Mitglieder scheuen deswegen die Öffentlichkeit – sie haben sich zurückgezogen, teilen sie auf Anfrage mit, um ihre Vorschläge auszuarbeiten. EMS