Zwangsarbeiter betrogen

Aufgrund eines ungünstigen Wechselkurses verlieren polnische Zwangsarbeiter einen Teil ihrer Entschädigung. Polnische Stiftung droht deutscher Seite eine Klage an

Der Verlust, den diese Transaktion den Opfern einbringt, wird von polnischer Seite auf bis zu 100 Millionen Zloty beziffert

WARSCHAU taz ■ Hat die deutsche Stiftung „Erinnerung, Verantwortung, Zukunft“ die polnischen Zwangsarbeiter um mehrere Millionen Mark betrogen? Haben die Banken, die das Geld getauscht haben, den Wechselkurs manipuliert? Haben die Deutschen die Polen wieder einmal „wie Idioten behandelt“, wie Ludwik Krasucki, der Vizevorsitzende des polnischen Verbandes der jüdischen Kriegsveteranen und Opfer des Zweiten Weltkriegs, sich empörte?

Die meisten Polen sind überzeugt, dass es genau so ist. Die Aufregung über den sehr schlechten Umtauschkurs hat dazu geführt, dass Bartosz Jalowiecki, Vorstandsvorsitzender der „Stiftung polnisch-deutsche Aussöhnung“ der deutschen Stiftung mit einer Klage droht. Die Regierung in Warschau hat einen Untersuchungsausschuss eingesetzt, der bis Freitag klären soll, wer tatsächlich für das Millionen-Desaster verantwortlich ist.

Michael Jansen, der Vorstandsvorsitzende der deutschen Stiftung, meint, sich und der Stiftung nichts vorwerfen zu müssen, da er noch am 30. Mai mit Jalowiecki telefoniert und das ganze Prozedere des Umtauschs besprochen habe. Man habe deshalb die ganze Summe der erste Rate – rund 1,35 Milliarden Mark – auf einmal getauscht, um zu verhindern, dass den Opfern unterschiedliche Zlotysummen ausgezahlt würden. Grundlage für die Überweisung an die polnische Stiftung war der Mittelkurs der drei Handelstage, an denen das Geld getauscht worden war.

Das Problem: an jenen Tagen war der Zlotykurs so hoch wie nie zuvor und auch später nicht mehr. Der Verlust, den diese Transaktion den Opfern einbringt, wird von polnischer Seite auf bis zu 100 Millionen Zloty beziffert. Der Kursverlust hätte allerdings verhindert werden können, wenn die Summe nicht in einem Mal getauscht worden wäre oder die polnische Stiftung die Auszahlung in Mark akzeptiert und auch in Mark an die Opfer weitergegeben hätte.

Jalowiecki hatte mit dem Milliarden-Zloty-Betrag auf dem Konto der Stiftung Zinsen verdienen wollen, mit denen er die Verwaltungskosten begleichen wollte. Daher hatte er verlangt, dass die Deutschen das Geld tauschen. Dass in der zu überweisenden Summe neben den Entschädigungen auch Verwaltungskosten enthalten waren, erwähnte Jalowiecki gegenüber der Presse nicht.

Da das Geld erst nach dem 30. Mai, aber vor dem 15. Juni, dem Auszahlungsbeginn, umgetauscht werden musste, konnte sich der Devisenmarkt auf die enorme Nachfrage nach Zloty einstellen. Der Zlotykurs begann schon im Winter zu steigen, da ja auch ein Teil der polnischen Telekom an einen ausländischen Investor verkauft werden sollte, der den Kaufpreis ebenfalls in Zloty begleichen sollte. Es war also mit zwei großen Zloty-Nachfragen auf dem Markt zu rechnen. Währungsspekulanten deckten sich rechtzeitig mit Zloty ein, Im Juni erreicht der Zlotykurs seinen Höhepunkt. Profitiert haben vor allem Währungsspekulanten. Verloren haben die ehemaligen polnischen Zwangsarbeiter und die Deutschen, denen „Vertrauensbruch“ vorgeworfen wird. GABRIELE LESSER