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Risikogruppe Bundeswehrsoldaten

Nachdem sich ein im Kosovo stationierter Soldat das Leben genommen hat, fordern CDU und Grüne eine Verkürzung der Dauer von Auslandseinsätzen. Doch die Bundeswehr bestreitet einen Zusammenhang zwischen Selbstmorden und Einsatzdauer

von NICOLE MASCHLER

Von einer Sondersitzung des Bundestags zum Mazedonien-Einsatz ist derzeit keine Rede mehr. Zu unsicher scheint die Krisenregion, zu hoch das Risiko für die Bundeswehrsoldaten. Da schreckt die Nachricht vom Selbstmord eines 24-jährigen Hauptgefreiten auf, der sich letzte Woche in Prizren im Kosovo erschossen hat. Der Verteidigungsexperte der Unionsfraktion, Paul Breuer, will die Auslandseinsätze nun von 6 auf 4 Monate verkürzen. „Wir müssen den Aufenthalt so kurz wie möglich halten“, so Breuer zur taz. Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Winfried Penner (SPD), lehnte eine Verkürzung gestern im Deutschlandfunk ab. „Der Einsatz in einer solch unruhigen Gegend ist eine Belastung.“ Doch: An der Dauer des Einsatzes führe für die Bundeswehr kein „Weg vorbei.“ Es gebe Überlegungen für die Zeit ab 2003. „Aber derzeit geht das nicht.“

Das Verteidigungsministerium bestreitet einen Zusammenhang zwischen Selbstmord und Einsatzdauer. „Es handelt sich um importierte Probleme. Hier hat jemand persönliche Nöte nicht bewältigt“, so ein Sprecher zur taz. Angesichts der Debatte sah sich das Ministerium gestern genötigt, „Fakten zum Thema Suizid“ ins Internet zu stellen. Seit Beginn der Balkan-Einsätze 1995 haben sich 8 Soldaten getötet. Im Inland gab es seit 1998 144 Todesfälle. Insgesamt liege die Zahl aber „unter der Suizidrate der Gesamtbevölkerung“.

Doch CDU-Politiker Breuer fordert Konsequenzen aus dem jüngsten Vorfall. Soldaten klagten, das Lager Prizren gleiche einer geschlossenen Vollzugsanstalt. „Ich will nicht, dass wir dort irgendwann nur noch Abenteurer im Einsatz haben.“ Je kleiner die Bundeswehr, desto dringlicher das Problem. „Vier Monate auf dem Balkan sind genug.“ Vor jedem Einsatz steht mehrwöchiges Training: zu Landeskunde und Verhalten gegenüber der Bevölkerung. Auch wenn Extremsituationen wie das Öffnen von Massengräbern die Ausnahme sind – das Leben im Feldlager ist wenig komfortabel: kaum Abwechslung, keine Privatsphäre, zwei Wochen Urlaub. Eine Rückkehr nach Deutschland ist „nur in Härtefällen“ möglich.

Bei psychischen Problemen stehen Militärseelsorger bereit. Aber: Ein Drittel der Soldaten habe wenig Vertrauen in die Seelsorge, sagt Reinhard Mackewitsch vom Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in Strausberg, der für eine Studie zur Motivation zwei KFOR-Kontingente befragt hat. Im Kameradenkreis werde eine „Unmenge von Gesprächen“ geführt, betont dagegen das Ministerium. Neben Berufs- und Zeitsoldaten sind auch „freiwillige“ Wehrpflichtige im Einsatz. Diese seien besonders gefährdet, weiß Mackewitsch. Sieben der acht Selbstmörder waren unter 30 Jahre alt. In seiner Studie über „Suizidalität junger Soldaten“ kam der Mediziner Hansjörg Glaser 1997 zu dem Ergebnis, dass die Selbstmordrate der Bundeswehr weder wesentlich höher noch niedriger als in der Gesamtbevölkerung sei. „Die Rate sinkt mit den Intelligenzanforderungen, etwa im Fernmeldedienst“, so Glaser zur taz. Entscheidend sei auch die Verfügbarkeit von Suizidmitteln – wie beim Auslandseinsatz. Für Mackewitsch steht denn auch schon vor Abschluss seiner Untersuchung fest: „Aus Sicht der Soldaten wäre eine Einsatzdauer von vier Monaten besser.“

Der grüne Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei will über eine „Flexibilisierung“ diskutieren. Nur für schwierige Einsätze in Grenzgebieten seien sechs Monate unabdingbar, sagte er der taz. Die Reaktion der Bundeswehr auf die Selbstmorde versteht Nachtwei nicht. „Es ist zu einfach, das auf persönliche Probleme zu reduzieren.“

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