Weiter da? Wieder da!

■ Das Junge Theater geht mit neun Inszenierungen sowie einer ganzen Flut von Ideen, Projekten und Plänen in eine neue und außergewöhnlich rege Spielzeit

„Das Junge Theater ist weiter da“ lautet der noch immer aktuelle Slogan des Ensembles um Carsten Werner, Ralf Knapp und Co. Doch wohl noch nie in den letzten zehn Jahren war trotz eigener Inszenierungen und der Gastspiele so wenig Junges Theater wie in der vergangenen Spielzeit. Doch das ändert sich jetzt mit einem Paukenschlag oder womit auch immer. „Bremens einziges Off-Theater“ (auch so ein Werbespruch) ist „wieder da“ (noch ein Werbespruch) und serviert in der neuen Saison neun Produktionen sowie zahlreiche Gastspiele. Hinzu kommen einige ungelegte Eier, aus denen Veranstaltungsreihen und Koproduktionen schlüpfen, wenn das Geld reicht.

Mit dem Abbau von Altschulden begründet Theater-Mitgründer Carsten Werner die Zurückhaltung in der vergangenen Spielzeit. Zudem war das Ensemble auch mehrere Monate heimatlos, bevor es in den immer mehr zum eigentlichen künstlerischen Zentrum Bremens werdenden Güterbahnhof einzog. Aus diesem Kurzaufenthalt scheint mehr als ein Provisorium zu werden. Als neuer Einzugstermin für die Schwankhalle im Buntentor wurde dem Theater jetzt der Oktober 2002 genannt. Doch noch tut sich auf der Baustelle, in die neben dem Jungen Theater auch die MusikerInnen-Initiative MIB und das freie Tanztheater Steptext Dance Company einziehen sollen, nix.

Deshalb schneidet das Junge Theater die neuen Produktionen auch für die Halle im Güterbahnhof zu. Das gilt für den Saisonauftakt „I Hired a Contract Killer“, der heute Premiere feiert (Vorbericht siehe taz vom 7. August). Und das gilt auch für den bereits fest stehenden Teil der acht weiteren geplanten Inszenierungen. Ein Blick auf (Autoren-) Namen wie Igor Bauersima, Marius von Mayenburg oder Feridun Zaimoglu zeigt, dass das Theater zunehmend mit den mehr und mehr auf zeitgenössische Dramatik setzenden Stadttheatern konkurriert – oder umgekehrt. „Natürlich fragen wir uns: Was ist originär für freies Theater?“ sagt Carsten Werner. Die Antwort: „Die Unterschiede liegen in der Produktionsweise und Veranstaltungsform.“

„Performing Arts“ lautet der Begriff für diesen Unterschied. So koproduziert das Junge Theater eine Struwwelpeter-Variante zusammen mit dem nach Berlin gehenden Komponisten Mark Scheibe und der wilden Kapelle „The Tiger Lillies“, mit der das Ensemble freundschaftlich verbunden ist. Überhaupt diese FreundInnen: Feridun Zaimoglu, Autor, Deutsch-Türke und einer der gefragtesten Talkshow-Gäste der letzten Jahre, zählt auch dazu und will dem Ensemble ein Stück auf die Leiber schreiben (Uraufführung Sommer oder Herbst 2002).

Die Finanzierung für die neun bereits geplanten Inszenierungen ist durch Sponsoren, städtische Ensemble- und Projektförderung gesichert. So konnte sich das Junge Theater die Rechte für die Uraufführung der Theaterfassung von Rainer Werner Fassbinders Filmdrehbuch „Satansbraten“ sichern. Sie soll im Frühsommer 2002 genau 30 Jahre nach Fassbinders letzter eigener Uraufführung („Bremer Freiheit“), 20 Jahre nach seinem Tod und zum zehnten Geburtstag des Jungen Theaters im Güterbahnhof über die Bühne gehen. Ein Woyzeck-Projekt für Jugendliche steht ebenso schon fest wie ein Hör-Stück von Denis Fischer. Aber wie immer ist das nun in die zehnte Spielzeit gekommene, aus dem ehemaligen Jugendclub des Bremer Theaters hervorgegangene Ensemble erfreut über Spenden in jeder Höhe. Dann könnte es auch die weiteren Pläne verwirklichen. Ein Macbeth-Festival namens „5 x Macbeth“ mit internationalen Schauspiel- und Figurentheaterproduktionen zählt dazu. Auch die Wiederauflage des Beinahe-Gratismonats „Pay as much as you can“ ist so ein Plan, weil damit in der Vergangenheit neue Zuschauerkreise angesprochen wurden. Und die Regisseurin Friederike Füllgrabe sammelt noch Geld für ihre Inszenierung von Eve Enslers Frauen-Interview-Stück „Die Vagina-Monologe“. Die werden in New York immerhin von Stars wie Glenn Close, Whoopi Goldberg und Winona Ryder gespielt. Für Bremen plant Füllgrabe eine Version mit drei Schauspielerinnen, einer Musik-Elektronikerin und einer bildenden Künstlerin. Ideen also sind im Jungen Theater eine ganze Menge „weiter da“. ck