Ein Baum für jeden Berliner

Die Forstämter der Stadt machen Inventur: Die rund 3,5 Millionen Bäume werden genau gezählt, vermessen, begutachtet. Die Förster bereiten mit der Statistik eine nachhaltige Waldwirtschaft vor

von RICHARD ROTHER

Wie hoch und wie dick sind die Bäume in den Berliner Forsten? Wie wachsen sie? Wie viel Lebensraum bietet der Wald Spechten, Hasen, Rehen, Insekten? Fragen, denen drei Mitarbeiter der Berliner Forstverwaltung mit allerlei Messwerkzeugen, viel Fleiß und Akribie nachgehen – die Wälder der Haupstadt haben Inventur. Aber geschlossen sind sie deswegen nicht.

Mit der detaillierten Erfassung des 27.400 Hektar großen Waldes sollen die künftigen Forstmaßnahmen vorbereitet werden. „Wir wollen in Berlin einen naturnahen, reich strukturierten Mischwald mir einem hohen Anteil an Wertholz entwicklen“, sagte Forstleiter Dirk Riestenpatt bei der gestrigen Vorstellung der Inventur. Der Wald werde deshalb naturnah und nachhaltig bewirtschaftet, das heißt ohne Einsatz von Pestiziden, unter Erhaltung von Alt- und Totholz. Die Inventur – rund 3,5 Millionen Bäume wollen erst einmal gezählt sein – dauert rund zweieinhalb Jahre und kostet etwa eine Million Mark.

Nach Ansicht der Föster ist das gut angelegtes Geld. Schließlich erfüllt der Wald der Stadt viele Funktionen: Er ist Erlebnisraum der Menschen, eine grüne Lunge der Stadt, Trinkwasserspeicher, Holzlager. Der Berliner Waldreichtum kommt indes nicht von ungefähr. Knapper Kassen zum Trotz erwarben die Stadtoberen zwischen 1910 und 1920 riesige Waldflächen. Ziel der damaligen Stadtregierung war es, „der wachsenden Bevölkerung in der Reichshauptstadt für die fernere Zukunft die Gelegenheit der Erholung und Erfrischung im Freien und im Walde zu sichern“.

Die Förster von heute wollen daran anknüpfen; allerdings haben sich die Ziele von einst geändert. Die Monokulturen, die in den Fünfzigerjahren – zwei Drittel des Waldes war nach dem Krieg abgeholzt worden – angepflanzt wurden, sollen sukzessive durch einen natürlichen Mischwald ersetzt werden. Dabei machen den Förstern einige nicht heimische Pflanzen zu schaffen: etwa eine aus Nordamerika stammende Wildkirschenart. Da die Pflanze in hiesigen Breiten keine natürlichen Feind hat – etwa junge Triebe abfressende Rehe oder Insekten – vermehrt sie sich geradezu ungestört und nimmt anderen Pflanzen Platz, Licht und Nährstoffe weg.

Doch zunächst werden die Berliner Forsten genauestens erfasst. In diesem Jahr werden die Forstämter Treptow, Buch und Grunewald bearbeitet, im nächsten Jahr die Forstämter Lanke, Friedrichshagen und Tegel. Neben der genauen Beschreibung der Baumbestände nach Baumarten, Alter, Dichte und Mischung der Bestände werden auch andere Parameter wie der Anteil an Totholz, markante Einzelbäume, Obstbäume, besonders geschützte Biotope, Wege und Alleen erfasst. Im Forstrevier Schmöckwitz wurden 342 markante Einzelbäume mit einem Stammdurchmesser von mehr als einem halben Meter, fünf Obstbäume mit einem Durchmesser von mehr als 20 Zentimetern, 21 markante Baumgruppen, 98 Alleen und 36 geschützte Biotope erfasst.