Der Groll des Herkules

Beim doppelten deutschen Medaillengewinn im Diskuswerfen gibt es keine Spur von gemeinsamer Freude: Weltmeister Riedel und Bronzegewinner Möllenbeck können sich partout nicht leiden

aus Edmonton FRANK KETTERER

Man wird später einmal viele Bilder in Erinnerung haben von diesem denkwürdigen Diskus-Wettbewerb im Commonwealth Stadium zu Edmonton: Von Lars Riedel zum Beispiel, wie er nach getaner Arbeit seinen mächtigen Oberkörper entblößt und die Arme nach oben reißt – und in diesem Moment aussieht wie einer dieser Heroen in den Herkules-Filmen. Oder von Michael Möllenbeck, auch so ein Bär von einem Mann, der sein Glück hinausgeschrien hat in die kanadische Nacht und danach schnurstracks hinübergerannt ist zu seiner Frau, auch die geübt mit dem Diskus, um sie in seine starken Arme zu schließen. Schöne Bilder werden es also sein, an die man sich erinnert, wenn später einmal die Rede kommt auf diesen für die deutschen Diskuswerfer so wunderbaren Abend, eines aber wird fehlen: Riedel, mit 69,72 Metern gerade zum fünften Mal Weltmeister geworden, und Möllenbeck, etwas überraschender Gewinner der Bronzemedaille mit 67,61 m, zusammen in all der Freude und all dem Jubel.

Die beiden Deutschen mögen sich nicht – und sie geben sich keinerlei Mühe, das zu verbergen, was schon ein kurzer Blick aufs Podium bei der anschließenden Pressekonferenz offenbarte: Ganz rechts Riedel, ganz links Möllenbeck, dazwischen, quasi als Puffer, Virgilijus Alekna, der zweitplatzierte Olympiasieger aus Litauen (69,40 m) – und eisiges Schweigen. So eisig, dass es selbst der Dame vom kanadischen Fernsehen gleich spanisch vorkam: „Herr Riedel, Sie scheinen Herrn Möllenbeck nicht sonderlich zu mögen“, insistierte sie also vorsichtig, was der Chemnitzer prompt als Aufforderung für ein abschließendes, wenngleich auch wenig klärendes Statement zum Thema verstand: „Jeder macht seinen eigenen Wettkampf und jeder muss sich auf sich selbst konzentrieren. Mehr will ich dazu nicht sagen“, sagte der 34-Jährige. Kaum Erhellenderes hatte zuvor schon Sportskamerad Möllenbeck beigetragen: „Sie können nicht erwarten, dass ich das ausführe. Das ist nicht mehr zu kitten“, lautete sein Statement.

Der heiße Brei, um den die beiden Medaillengewinner da so umständlich herumredeten, ist Szenegängern freilich bekannt, die dazu passende Geschichte geht in etwa so: In einem Trainingslager vor sechs Jahren war es, dass Möllenbeck, zu jener Zeit dem ein oder anderen Gläschen nicht ganz abgeneigt, eines Abends anfing zu randalieren und mit Dingen um sich zu werfen. Nur dass es sich dabei nicht um Disken handelte, sondern um einen Tisch, der in hohem Bogen aus dem Fenster flog. Um dem Unhold Einhalt zu gebieten, wurde schließlich Riedel geweckt, der dem Treiben kurzerhand ein Ende machte. Später soll Riedel Möllenbeck dann ob der Vorkommnisse einen Asozialen genannt haben, und das nicht nur einmal, seither gilt das Verhältnis als zerrüttet.

Wenigstens sind die beiden sich nicht während des Wettkampfs an den Hals gegangen, sondern haben sich werfen lassen: Auf 67,61 m schleuderte Möllenbeck die Zwei-Kilo-Scheibe gleich im ersten Versuch, der sein bester war und ihm kurzzeitig die Führung einbrachte. Allerdings nur bis Olympiasieger Alekna in den Ring stieg und sogleich 67,61 m vorlegte, die er im dritten Versuch gar auf 69,40 m verbesserte, was ein ziemliches Pfund ist. Riedel hingegen hatte zunächst Probleme, nach dem Vorkampf lag er mit 67,10 m lediglich auf Rang drei; weil danach die Reihenfolge der Werfer neu geordnet wurde und er nun direkt vor dem Führenden Alekna an der Reihe war, beschloss er, in den vierten Versuch besonders viel Kraft und Technik zu legen. „Ich habe gedacht: Jetzt musst du’s machen“, erzählte Riedel später vom Moment der Entscheidung, in dem er den Diskus tatsächlich auf 69,50 m segeln ließ, was zum Sieg schon gereicht hätte, Versuch fünf mit 69,72 m war quasi kostenlose Zugabe, die zumindest im deutschen Lager lautstark gefeiert wurde – mit einer Ausnahme.