US-Präsident in der Zwickmühle

Georg Bush will spätestens im September bekannt geben, ob künftig Steuergelder für die Embryonenforschung zu Verfügung gestellt werden sollen. Wie immer seine Entscheidung ausfällt, er wird harsche Kritik von seinen Wählern einstecken müssen

von WOLFGANG LÖHR

Mit Spannung erwarten nicht nur die Stammzellforscher in den USA, ob Präsident George Bush die staatliche Finanzierung von Forschungsprojekten mit embryonalen Stammzellen freigeben wird. Spätestens nach der Sommerpause, noch bevor der Kongress im September wieder zusammentritt, so gab Bush bekannt, will er seine Entscheidung mitteilen. Wie auch immer diese ausfallen wird, sie wird einen nicht zu unterschätzenden Einfluss auf die Diskussion in anderen Staaten haben.

Gelten doch die USA auch nach dem vom Repräsentantenhaus beschlossenen Verbot des reproduktiven und therapeutischen Klonens menschlicher Embryonen neben Großbritannien und Israel noch als Mekka der Stammzellforscher. Sollte sich Bush gegen die Finanzierung aussprechen, würden die USA für die Embroynenforscher als das „positive“ Beispiel, an dem sich alle anderen Staaten zu messen haben, wegfallen. Auch Bundeskanzler Schröder forderte wiederholt, Deutschland dürfe keinen Sonderweg gehen, sondern müsse in die internationale Entwicklung eingebunden bleiben.

Sowohl in Israel als auch in Großbritannien dürfen Forscher geklonte Embryonen zur Gewinnung von Stammzellen nutzen. Dies wird US-Forschern zwar künftig nicht erlaubt sein, sollte das Klonverbot jetzt noch – was als sehr wahrscheinlich gilt – vom Senat bestätigt werden. Doch zurzeit können die meisten Stammzellforscher auf das Klonen verzichten, denn vorerst sind eine Reihe von grundlegenden Fragen zu klären. So ist trotz aller Heilsversprechungen nach wie vor nicht geklärt, ob embryonale oder auch von Erwachsenen abstammende Stammzellen überhaupt für therapeutische Verfahren geeignet sind.

Ein von der US-Gesundheitsbehörde, den National Institutes of Health (NIH), im Juni vorgelegter umfangreicher Statusbericht (www.nih.gov/news/stemcell/scireport.htm) über Stammzellen führt eine lange Liste an Fragen auf, die vor einem klinischen Einsatz erst geklärt sein müssen. So ist unter anderem zu prüfen, ob verabreichte fremde Stammzellen im Körper Tumore auslösen können. Einige Tierversuche geben Hinweise auf diese Möglichkeit. Auch gebe es noch keine wissenschaftlich gesicherten Erkenntnisse darüber, dass embryonale Stammzellen sich tatsächlich besser für den klinischen Einsatz eignen als adulte Stammzellen. Bisher argumentierten Befürworter der Embryonenforschung häufig mit dem weitaus größeren Potenzial und der besseren Verträglichkeit der Embryonalzellen.

Prognosen darüber, wie Bushs Enscheidung aussehen wird, wagt zur Zeit niemand abzugeben. Der Präsident steckt in der Zwickmühle. Einerseits hatte er seinen Wählern versprochen, keine Steuergelder für verbrauchende Embryonenforschung zur Verfügung zu stellen. Andererseits will er sich von der Industrie keine Forschungsfeindlichkeit und eine innovationshemmende Politik unterstellen lassen.

Für die noch von seinem Vorgänger Bill Clinton beschlossenen veränderten Vergabekriterien für Forschungsmitteln, nach denen unter bestimmten Bedingungen die embryonale Stammzellforschung gefördert werden darf, ordnete Bush sofort nach seinem Amtsantritt eine Überprüfung an. Seitdem steht er gleich von zwei Seiten unter Kritik. Abtreibungsgegener, religöse Gruppen und Pro-Life-Organisationen fordern von ihm rigorose Maßnahmen gegen die Embryonenforschung. Die Bioindustrie im Verbund mit der Forscherlobby und den großen mitglieder- und finanzstarken Patientenorganisationen fordern die Freigabe der Forschungsmittel. Mit ganzseitigen Zeitungsanzeigen, öffentlichen Betgruppen und Strafanzeigen wird der Streit über das Pro und Wider der Embryonenfoschung ausgetragen. Selbst eine staatliche Anzahl republikanischer Politiker fordern von Bush, die Stammzellforschung zu unterstützen. Vertreter der katholischen Kirchen wiederum haben Bush bereits angedroht, ihn bei Nachwahlen nicht mehr zu unterstützen.

Befürchtet wird vor allem, dass Bush jetzt, nachdem mit seiner Unterstützung das landesweite Klonverbot auf den Weg gebracht wurde, dem Druck der Forscherlobby nachgibt und eine beschränkte Freigabe der Forschungsgelder erteilt. Er könnte dann gleich auf die noch unter Clinton verabschiedeten Förderrichtlinien des NIH zurückgreifen. Danach dürfen bei der künstlichen Befruchtung übrig gebliebene und zur Aufbewahrung eingefrorene Embryonen für die Stammzellgewinnung genutzt werden. Irgendwann, so könnte Bush argumentieren, müssten diese Embryonen sowieso vernichtet werden.