Auf zum letzten Gefecht

Sie ist wieder da: Um Berlin nicht Gregor Gysi und seiner PDS zu überlassen, fliegt Bärbel Bohley sogar aus Kroatien ein. Als Verbündete sind ihr alte Gefährten, die FDP, die CDU und sogar das frühere Politbüromitglied Günter Schabowski gleich recht

von ROBIN ALEXANDER

Auf den ersten Blick scheint dies ein guter Ort, einen Kampf zu beginnen: hohe Mauern, Stacheldraht, ein Wachturm. Das Stasi-Untersuchungsgefängnis im Plattenbaubezirk Hohenschönhausen sucht Bärbel Bohley zuerst auf, als sie zurück nach Berlin kommt. Die Künstlerin, die längst nicht mehr malt, eröffnet im Schulungsraum der Stasi-Schergen eine Werkschau eines toten Kollegen. Der Leiter der Gedenkstätte, Hubertus Knabe, erklärt, warum Bohley zurückgekehrt ist: „Die Verfolger von einst wagen sich aus der Deckung. Die Ostberliner Postkommunisten sind in Begriff, die Macht zu übernehmen.“ Gysi ante portas.

In diesem Knast saß Bohley zweimal, hat in blauem Trainingsanzug und gelben Latschen wochenlange Entwürdigung überstanden, bis die SED keinen Rat mehr wusste und sie in den Westen abschob. Das war 1988, und längst ist aus dem bösen Ort, wo viele Oppositionelle schikaniert wurden, eine Burg der Bürgerrechtler geworden. Der Knast ist heute Gedenkstätte mit festangestellten Erinnerungsexperten und Zeitzeugenführungen. „Ein Stachel im Fleisch Hohenschönhausens, den sie gerne weghaben wollen“, nennt das Bohley bei der Besichtigung ihrer alten Zelle.

„Sie“, das sind Leute, die „mir sogar nach Kroatien Drohbriefe schicken“. Und „sie“ sitzen überall – sogar bei der Post. Ein pfundschweres Kuvert mit kopierten Zeitungstexten über Gysi hat ein Freund in einen Hohenschönhausener Briefkasten gesteckt, in Kroatien kam nur ein leerer Umschlag mit dem Zettel an: „Sendung beschädigt, Inhalt verloren gegangen“. Ostberlin – eine Welt von Feinden. Doch es gibt auch Verbündete: Einer davon heißt Frank Steffel. Der 35-jährige CDU-Kandidat für den Posten des Regierenden Bürgermeisters liegt hoffnungslos hinter dem sozialdemokratischen Amtsinhaber Klaus Wowereit und dem Kandidaten Gregor Gysi zurück. Um im Osten Boden gutzumachen, hat er vor zwei Wochen einen geachteten Unionspolitiker mit DDR-Vita zum Generalsekretär gemacht und organisiert jetzt einen „Gesprächskreis Innere Einheit“. Leicht hätte er es sich machen können, erzählt Steffel: „Lengsfeld, Nooke, Neubarth – alle längst Mitglied bei uns.“ Er präsentiert aber lieber Bürgerrechtler, die noch nicht in der CDU sind. Wolfgang Templin etwa oder Dietmar Volk, frisch aus der grünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus ausgetreten. Die beiden sind noch in Urlaub, wollen aber bald mit Steffel beraten, „wie die innere Einheit noch schneller und noch sensibler vorankommt“. Der Star des Treffens ist allerdings Günter Schabowski. Der ehemalige 1. Sekretär der SED-Bezirksleitung Berlin, der dem Sozialismus abgeschworen hat, trägt zur „Inneren Einheit“ bei, indem er erklärt, „die Beharrungskräfte in der PDS sind die Folie, auf der die so genannten Reformer agieren“, und sich auf dem Bürgersteig als „oller Verräter“ beschimpfen lässt.

Auf dem Gruppenfoto mit dem kompakten Kandidaten Steffel, einem kantigen Turn-Olympiasieger, diversen Funktionären in Anzug und Lobbyisten mit Bauch wirkt Bärbel Bohley klein und vor allem fehl am Platz. Hat sie nicht gestern Abend noch erzählt, dass sie an der Adria Kindern aus bosnischen Flüchtlingsfamilien zusammenbringe, „das Beste, was ich je in meinem Leben getan habe, besser als das Neue Forum“? Frau Bohley, was machen Sie hier? „Wenn die PDS sagt, nur sie kann die innere Einheit herstellen, dann aktiviert mich das auch von Kroatien aus.“ Dafür begibt sie sich heute in die Umgebung von Schabowski und Steffel, gibt morgen Interviews und macht zum Jubiläum des Mauerfalls eine Veranstaltung. Ihr Bürgerbüro-„Verein“ hat dafür gesorgt, dass keine DDR-Opferverbände an den Feierlichkeiten des Senats teilnehmen, solange dem ein Regierender vorsitzt, der auch mit Hilfe der PDS gewählt wurde. Am kommenden Mittwoch ist Bohley mit Günter Rexrodt verabredet, dem Kandidaten der FDP: „Ich möchte die FDP unterstützen, damit sie wieder ins Parlament kommt.“ Schließlich könnte eine Ampelkoalition ein rot-rotes Bündnis noch verhindern. Bohleys Anliegen ist nachvollziehbar und ihr Motiv vielleicht sogar edel. Aber in diesen Tagen entsteht doch der Eindruck, sie würde sogar die Deutsche Biertrinker Partei unterstützen, stritte diese gegen die PDS.