Der Ostsee Tor zur Welt

■ Hamburg betreibt Entwicklung des Baltikums – im eigenen Interesse

Hamburgs Chance liegt im Baltikum. Die Metropolregion mit Hamburg als östlichstem Atlantik- und westlichstem Ostseehafen habe „beste Voraussetzungen, Tor zum Ostseeraum mit einem Einzugsgebiet von rund 100 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern zu werden“, heißt es im zweiten Bericht des Senats zur Ostseepolitik. Fast alle Behörden hätten deshalb begonnen, Initiativen auf diesem „prioritären Politikfeld“ zu entwickeln, lobte Europasenator Willfried Maier (GAL), als er den Bericht gestern vorstellte. Merke: „Das Tor zu Welt ist nichts, wenn keiner durchgehen will.“

Maier versuchte, die Bedeutung des Themas am Beispiel des mächtigen Konkurrenten Rotterdam plausibel zu machen: Der dortige Hafen sei aufgrund der ökonomischen Potenz der Rhein-Anlieger zum größten Hafen Europas geworden. Der Senat will Nordosteuropa zu ähnlicher Prosperität verhelfen und dann als Dienstleis-tungszentrum davon profitieren.

Bereits heute stammt jeder fünfte Container, der in Hamburg umgeschlagen wird, aus dem Ostseeverkehr. Hamburger Kaufleute führten 1999 Waren für fünfeinhalb Milliarden Mark aus dem Baltikum (ohne Russland) ein und für viereinhalb Milliarden Mark aus. Gut 25.000 Menschen aus Ostsee-Anrainerstaaten leben hier, Russland nicht mitgerechnet.

Die HHLA, der größte Umschlagbetrieb im Hafen, erwartet in den kommenden Jahren Wachstumsraten im Ostseeverkehr von drei bis vier Prozent jährlich. Die Containerbahn „Polzug“ nach Polen und Russland verzeichnete 2000 ein Plus von sagenhaften 21 Prozent. Im Frühjahr 2002 soll zudem der Container-Terminal der HHLA in Lübeck fertig gestellt sein. Ein weiterer Teil der Kisten wird dann nicht mehr an der Elbe auf Feeder-Schiffe warten müssen, sondern kann per Bahn sofort an die Ostsee transportiert werden. Zeitersparnis laut HHLA: 30 bis 40 Prozent.

Mit dem wachsenden Warenaustausch lassen sich immer mehr Firmen aus dem Ostseeraum in Hamburg nieder: polnische Software-Schmieden, russische Hersteller von Halbzeugen, skandinavische New-Media-Firmen. Wer kommt, profitiert von den internationalen Kontakten Hamburgs sowie dem hier versammelten Knowhow in Handel, Versicherungen, Finanzierung und Logistik.

134 Firmen aus dem Ostseeraum hat die Hamburgische Gesellschaft für Wirtschaftsförderung (HWF) seit 1997 bei der Ansiedlung geholfen, 50 davon aus Russland. Zum Vergleich: In der zweiten Hälfte der 90er Jahre waren es über alle Länder und Kontinente jährlich etwa 120 Firmen. Die tatsächlichen Zahlen für Hamburg liegen höher, weil längst nicht alle Firmen sich an die HWF wenden.

Der Senat versucht diese Entwicklung zu fördern, indem er Kooperationsprojekte initiiert, den Transfer von Knowhow nach Osteuropa vorantreibt und dafür möglichst die Kassen der EU anbohrt: Man tauscht Jugendliche, Experten und Umweltinformationen aus und betreibt gut klingende Programme wie „Balticom“ zur Förderung nachhaltigen Wachstums durch intelligenten Transport oder „String“, das die Möglichkeiten der Zusammenarbeit in der westlichen Ostsee untersucht. Ziel ist es, der Ostsee-Politik in der EU den gleichen Stellenwert zu verschaffen wie der Mittelmeer-Politik. Gernot Knödler