Der König kam, sah, sang

■ Fischer-Chor-Leiter Gotthilf Fischer animierte in der Bremerhavener Fußgängerzone begeisterte Massen zum Singen. Auch mit 73 Jahren swingt es sich noch wunderbar

Gotthilf ist da. Gotthilf steht auf einem kleinen Podest, Gotthilf schwenkt sein Mikro im Takt und die Menge singt. So ist es überall, so war es gestern auch in Bremerhaven. „Was Gotthilf vorgibt, das machen wir“, verkündet Adelheid Schich, Leiterin des Bremerhavener Seniorenchores, und strahlt dabei vor Freude übers ganze Gesicht.

Gotthilf Fischer, inzwischen 73 Jahre alt, hat die Massen immer noch perfekt im Griff. Kaum betritt er, unauffällig in schwarzer Regenjacke, die Mini-Bühne, geht ein Leuchten über die Gesichter der Menschen auf dem Bremerhavener Kirchenvorplatz, Photoapparate werden gezückt und ältere Damen drängeln sich aufgeregt in die erste Reihe. In Nullkommanix ist der strömende Regen vergessen und unter den fröhlich bunten Regenschirmen tönt es optimistisch: „Das Wandern ist des Müllers Lust!“

Anlass für die Volksfeststimmung im ansonsten eher norddeutsch-unterkühlten Bremerhaven ist die „Halbzeit“ bei der Neugestaltung der Bürgermeister-Smidt-Straße, kurz „Bürger“ genannt. Seit Spätherbst letzten Jahres wird hier fleißig gewerkelt, die Hälfte des Bauvolumens hat man geschafft und das, so findet Michael Gerber von der Bremerhavener Investitionsförderungsgesellschaft BIS, „ist ein Grund zum Feiern.“

Schaut man sich auf dem brechend vollen Kirchenvorplatz um, glaubt man das gerne. „Gotthilf bringt das Volkslied auf Trab, und das finden wir gut“, begeistert sich Hans-Rudolf Schulz, der ebenso wie seine Chorkollegen „aus Spaß an der Freud“ da ist.

Die meisten der Sangeswilligen sind allerdings weiblich. Aufgekratzt und im Sonntagsstaat klammern sie sich begeistert an die kleinen Biedermeier-sträußchen, die im Vorfeld verteilt wurden, und singen lauthals mit. Textprobleme hat hier kaum einer und wenn der Gesang allzu dünn ausfällt, gibt es ja immer noch Unterstützung aus den Lautsprechern, die rings um den Platz aufgebaut sind. Gotthilf Fischer selbst wippt im Takt, dirigiert munter mit, gibt Strophenanfänge vor und hält die Menschen zwischendurch mit kleinen Anekdoten und flotten Sprüchlein auf Trab. Er lobt die „frische“ Bremerhavener Luft, schmeichelt seinen Anhängern mit einem lockeren „Ich weiß, man singt hier ganz hervorragend“ und legt los. Natürlich ist es für den Dauer-Entertainer nur einer von vielen Pflichtterminen, aber trotzdem – wenn man ihn so sieht unter dem quietschgelben Sonnenschirm ist und bleibt er trotz allem ein Sympathieträger, dem man auch gelegentliche „Ausrutscher“ ins Big-Brother-Haus oder auf die Love-Parade gerne verzeiht. Der Erfolg in Bremerhaven gibt ihm wohl recht – Gotthilf kam, sah und siegte. Bodil Elstner