frankie goes to edmonton
: Doping bei der WM: Mit Epo erwischt

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Mit der Zeitverschiebung ist es ein ziemliches Kreuz hier in Kanada, der gewöhnliche Edmontonian nämlich hinkt dem Geschehen in der Welt, also in Deutschland, prinzipiell acht Stunden hinterher. Redaktionsschluss und die Zeit für Druck und Auslieferung eingerechnet, produzieren die deutschen Schreiberlinge hier somit quasi brandaktuell immer Ihre Zeitung von gestern. Soll heißen: Was beispielsweise donnerstags hier in Edmonton mit heißer Nadel und bis tief in die Nacht gestrickt wurde (so wie dieser Text), liegt bei Ihnen frühestens Samstag auf dem Frühstückstisch.

Meistens macht das nicht so furchtbar viel, weil es den anderen deutschen Zeitungen auch nicht besser ergeht und doch kaum ein Schwein nachts in Deutschland aufsteht, um im Fernsehen Leichtathletik zu glotzen – und ein Blick in die Zeitung somit auf jeden Fall lohnt, schon wegen all der Hintergründe. Manchmal aber, glücklicherweise ist das bisher erst einmal vorgekommen, liegt man mit dem, was man am Vortag geschrieben hat, am Tag später ganz schön daneben, weil die Ereignisse sich selbst überholt haben. Genau so war das in der gestrigen Kolumne.

Von elf auffälligen Dopingproben auf Epo war da die Rede – und von der großen Wahrscheinlichkeit, dass eine weitere, zu jenem Zeitpunkt noch anstehende Untersuchung dieser Proben ziemlich sicher Schlimmes zu Tage fördern würde. Genau dieses tat sie nicht, von den elf Proben wurde am Donnerstag, für viele überraschend, lediglich eine als positiv bestätigt. Das ist zwar schlimm genug, die befürchteten Dopingmeldungen im Dutzend gab es also nicht.

Die dazu passende Pressenotiz formulierte der Internationale Leichtathletik Verband (IAAF) kurz und bündig, in etwa so: Die Ergebnisse der Epo-Tests liegen der IAAF nun vollständig vor, alle Proben, mit Ausnahme von einer, sind negativ. Der Athlet, Frau oder Mann, dessen Probe nicht negativ getestet wurde, habe bereits an der WM teilgenommen, der Name aber werde erst nach Bestätigung durch die B-Probe veröffentlicht. Ende der Diskussion.

Ende der Diskussion? Nicht ganz, denn noch am Abend gingen die beiden Vorläufe über 5.000 m über die Bühne. Der Zufall wollte es, dass die Russin Olga Jegorowa und die Rumänin Gabriela Szabo gleich in Lauf eins aufeinander trafen. Zur Erinnerung: Jegorowa, in dieser Saison trotz ihres zarten Alters von 29 Jahren durch geradezu unglaubliche Leistungssprünge auffällig geworden, war schon Anfang Juli beim Golden-League-Meeting in Paris mit Epo im Körper erwischt worden. Sie galt deswegen bei der WM zunächst als suspendiert, war dann wegen eines Verfahrensfehlers aber doch startberechtigt und war schließlich auch hier unter den elf Personen, deren Proben zunächst Auffälligkeiten vorwiesen (die, wie gesagt, am Donnerstag dann aber nicht bestätigt wurden).

Gabriela Szabo, seit Jahren (jedenfalls bis Jegorowa so explodierte) dominierende Läuferin über die 5.000 m, hatte wiederum vor einer Woche noch lauthals angedroht, nicht zu starten, wenn man die Russin trotz des Epo-Fundes in Paris würde laufen lassen.

„Es wäre nicht richtig, wenn sie teilnehmen dürfte“, hatte die kleine Rumänin immer wieder gesagt, was prinzipiell nicht falsch ist, am Donnerstagabend, zum Vorlauf, aber stand Szabo dann an der Startlinie, was man sich von Anfang an hatte denken können, weil es hier bei der WM ja auch um jede Menge Geld geht. Fürs Finale am heutigen Samstag haben sich übrigens Szabo und Jegorowa qualifiziert. Hoffentlich gewinnt die kleine Rumänin.

FRANK KETTERER