Ex-NPD-Chef Deckert will OB werden

Mehrfach verurteilter Volksverhetzer tritt bei der Kommunalwahl in Nürnberg an – für eine „Bürgerinititative Ausländerstopp“. Die Jüdische Gemeinde sorgt sich um den Ruf der ehemaligen Stadt der Reichsparteitage

NÜRNBERG taz ■ Provokanter geht es kaum: Günter Deckert, mehrfach wegen Volksverhetzung und Beleidigung verurteilter früherer NPD-Bundesvorsitzender, tritt bei der Oberbürgermeisterwahl in Nürnberg an. Der 61-Jährige geht für eine als „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ getarnte Liste der NPD ins Rennen – und rechnet bei der Wahl im März mit großer Zustimmung. „Nachdem alle anderen OB-Kandidaten für den weiteren Zuzug von Ausländern sich stark machen, werden Günter Deckert als echtem Alternativkandidaten gute Chancen bei Protestwählern eingeräumt“, behauptete die Initiative mit dem Slogan „Nürnberg muss deutsch bleiben“ in einer sprachlich holprigen Mitteilung.

Zurzeit sind die Republikaner als einzige Rechtsaußen-Partei mit zwei Mandaten im Nürnberger Stadtrat vertreten. Die NPD entsendete zuletzt 1966 drei Abgeordnete. Ralf Ollert, NPD-Kreisvorsitzender, sagte, er nehme mit der Kandidatur Deckerts „ohne Skrupel“ in Kauf, „das Ansehen Nürnbergs zu beschädigen“. Entsetzen prägte daher die offiziellen Reaktionen. „Wissen diese vaterlandslosen Gesellen eigentlich, was sie unserer Stadt antun?“, sagte Arno Hamburger, SPD-Stadtrat und Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde, der taz. Er sieht Nürnbergs Bemühungen, als „Stadt der Menschenrechte“ den durch die Nazis beschädigten Ruf der Stadt wiederherzustellen, gefährdet.

In der Frankenmetropole fanden von 1927 bis 1938 die Reichsparteitage der NSDAP statt, hier wurden die Rassegesetze erlassen und das antisemitische Hetzblatt Der Stürmer verlegt. Nach 1945 wurden in Nürnberg die NS-Kriegsverbrecher abgeurteilt.

Deckert, der nach fünfjähriger Haft im Herbst ein Jura-Studium in seiner Geburtsstadt Heidelberg aufnahm, verfolgt die Aufregung amüsiert: „Ich habe ja eine Vita, die sich sehen lassen kann“, sagte er der taz, „und Nürnberg eine Geschichte, wenn man das so sehen will.“

Deckert will sich mit Kundgebungen in den Wahlkampf einmischen, an einen Sieg glaubt er aber selbst nicht: „Da müssten ja sämtliche Zeugen Jehovas Nürnbergs bekehrt werden, damit ich OB werde!“ Wie bei seinen vorherigen 30 Kommunalwahl-Kandidaturen will er vor allem provozieren. „Deckert bekommt Hausverbot“, das, so sagte er, wäre eine tolle Schlagzeile nach seinem Auftritt im neuen Dokumentationszentrum Reichsparteitagsgelände, das im November eröffnet wird. Der Verweis auf „die besondere Geschichte Nürnbergs“ stinke ihm gewaltig: „Mich interessiert das nicht, und wenn der Adolf das Gleiche gesagt hat, was kümmert’s mich?“

Arno Hamburger von der Jüdischen Gemeinde bleibt da nur die Hoffnung, dass „die Nürnberger Bevölkerung und die politischen Parteien diesen Rattenfängern die richtige Antwort geben werden“. JÖRG VÖLKERLING