Anthropologische Postkartenmotive

■ „Die Welt von oben“: Luftaufnahmen von Yann Arthus-Bertrand am Baumwall

„Da sieht man, wie die Erde rund ist,“ sagt ein älterer Herr und zeigt auf eine der großformatigen Luftaufnahmen: Deutlich ist an den mosaikhaften Steinwällen von Inish-more und den sattgrünen irischen Wiesen, die am Horizont verschwimmen, die Erdkrümmung abzulesen. Kolumbus hätte seine Freude gehabt. Mehr als fünf Jahre und 2000 Flugstunden stecken in den 136 Fotografien, die Yann Arthus-Bertrand für die Ausstellung Die Erde von oben ausgewählt hat. 76 Länder hat er aus 30 bis 3000 Metern Höhe abgelichtet, aus Hubschraubern und Flugzeugen. Der Traum vom Fliegen verbindet sich da mit dem neuen Blickwinkel auf oftmals unbekannte Kulturräume.

Neben Naturaufnahmen von Wüstensanddünen, Bergschluchten, Gletschern und Flussmündungen stechen vor allem die Fotos aus dem städtischen Leben und der Landwirtschaft hervor. Da mischt sich der spiralförmige Ölpalmenanbau in Malaysia mit der spirituellen peruanischen Kolibrizeichnung, und die bizarre Geometrie von Reis- und Teeplantagen in aller Welt veranschaulicht des Menschen Drang zu Ordnungen und Formen.

Der 55-jährige Fotograf trifft immer wieder auf erstaunliche Formationen der Tierwelt (Heuschre-cken- oder schwimmende Flamingoschwärme) und – vor allem – der menschlichen Kulturtechniken: die WäscherInnen im Fluss (Elfenbeinküste), den Fischmarkt in Senegal, runde Steinbottiche in Marokko, die Ziegelei in Indien oder den unvollendeten Obelisken in Ägypten. Dass sich die Welt, wie so oft beschworen, zur Weltgesellschaft globalisiert, lässt sich an diesen Bildern nicht erkennen.

Arthus-Bertrand ist kein Monumentalfotograf wie Andreas Gurs-ky: Seine Bilder sind grobkörnig vergrößert, aber von ähnlicher Ästhetik und Farblichkeit. Sie sind verletzlich: Häufig stehen Naturkatastrophen im Mittelpunkt, die von Menschen angerichteten Katastrophen sind nur am Rande zu erahnen: Müllberge in Mexiko, Slums in Ecuador, ein Flüchtlingslager in Albanien, ein irakischer Panzerfriedhof oder die B-52s auf einer US-Militärbasis.

Kein am Hafen promenierender Besucher muss also befürchten, von diesen – ja: schönen – Fotos vor den Kopf gestoßen zu werden. Eher wecken sie die Reiselust – schließlich arbeitet Yann Arthus-Bertrand seit zwanzig Jahren für Reportage-Magazine wie GEO. Ein Besuch empfiehlt sich da besonders am Abend, wenn die Bilder auch noch beleuchtet sind.

Christian T. Schön

bis 15. September. Hafenpromenade zwischen U-Bahn Baumwall und Vorsetzen. Katalog 95 Mark