Erster Schultag: Katastrophe

■ Mit einer Art Notfall-Plan reagiert das Schulzentrum Kornstraße auf den Schulbeginn, denn dort stehen nicht genügend Lehrer zur Verfügung / Kein Einzelfall, findet die Gewerkschaft

Gestern wurden die Schulen wieder aufgemacht: Auch am Schulzentrum an der Kornstraße – allerdings nur für vier Stunden. Dann war schon wieder Schluss, weil noch immer LehrerInnen fehlen. Die ganze Woche wird es dort nur abgespeckten „Kern-Unterricht“ geben oder besser noch Wandertage, zu denen die Schulleitung inzwischen ausdrücklich aufgerufen hat.

Erst vergangenen Freitag, dem letzten Ferientag, kochte das ganze Chaos hoch. Da hätte eigentlich der neue Stundenplan gemacht werden sollen. Statt dessen stellten die Planer fest, dass fünf LehrerInnen fehlten, ohne die dreizehn Prozent der Unterrichtsstunden nicht abgedeckt werden könnten. An Stundenplan war nicht mehr zu denken – und das so knapp vor Schulanfang.

Aus Wut über das Chaos haben einige Lehrer von der Kornstraße jetzt die Presse ins Haus geholt, um „die realen Engpässe“ an Bremens Schulen zu zeigen. Schließlich hatte Bildungssenator Willi Lemke erst kürzlich getönt, die Unterrichtsversorgung sei größtenteils gesichert. Von wegen, sagt Harry Eisenach, Mathe und Physiklehrer, für den Stundenplan zuständig, und Gewerkschaftsmitglied. „Sowas wie hier darf sich einfach nicht wiederholen“, droht Eisenach in Richtung senatorische Behörde.

„So etwas ist natürlich für die Vorbereitung schwer“, gesteht besagte Behörde, in dem ein oder anderen Fall, aber sei das nicht auszuschließen. Immerhin konnte man über's Wochenende und damit quasi in letzter Minute noch fünf Stellen für die Kornstraße nachordern: pädagogische „Leiharbeiter“ aus dem allgemeinen Vertretungs-Pool „Stadtteil-Schule e.V.“, die eigentlich in Krankheitsfällen einspringen sollen. Richtig glücklich ist der Großteil des Kollegiums aber nicht über die Nachrücker. Ihnen wären festangestellte und junge Lehrer lieber. So kommt eine mittelalte Vertreter-Garde zwischen 40 und 50 ins Schulzentrum, die zum Teil in den letzten Jahren nicht mal im Schuldienst gearbetet haben.

„Das ist das erste Mal, dass so viele Vertretungskräfte ganz regulär eingesetzt werden“, ärgert sich auch Lehrer Bodo Bilinski. Drei der eigentlichen „Springer“ rutschen gleich in nicht besetzte Klassenlehrer-Positionen. Ob sie aber ihre Klasse die gewohnten zwei Jahre führen werden, bezweifeln die meisten Lehrer. Nur Schulleiter Hans-Heiner Tägtmeyer hofft, dass die Springer übernommen werden können.

Ohnehin stehen die Leih-Lehrer nicht sofort zur Verfügung: Einer steckt zum Beispiel noch im Urlaub und weiß noch gar nichts von seinem Glück. Telefonischer Kontakt sei bislang nicht möglich gewesen, gesteht Tägtmeyer. Nächsten Montag soll er anfangen. Noch eine Woche später wird der letzte der kurzfristig angeforderten Vertretungslehrer aus den Ferien erwartet. Erst dann ist das Kollegium an der Kornstraße einigermaßen komplett.

Auf der Liste von Ärgernissen war das längst noch nicht alles: Zwar ist die Kornstraße Schwerpunktschule für Kinder, die ohne Deutschkenntnisse in die Schule kommen. Dennoch werden ausgerechnet Förderstunden um 16,5 Stunden pro Woche gekürzt, um überhaupt auf die Zahl der reguläre Unterrichtsstunden zu kommen.

Ein Einzelfall? Wohl nicht, vermutet die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Bremen. Ähnlich sieht es der Personalrat Schulen. Zwar ist ihnen keine Schule bekannt, wo so spät noch so viele Lehrkräfte nachbeordert würden. Dennoch wurden letzte Woche und selbst gestern noch Vorstellungsgespräche geführt, um letzte Löcher in den Stellenplänen zu stopfen.

Rolf Becker vom Personalrat kritisiert vor allem die immer gängiger werdende Praxis, Leih-Lehrer zu ordern. 49 Stellen werden in diesem Jahr damit besetzt. „Das ist doch Augenwischerei“, findet Becker und fordert stattdessen Festanstellungen. Das Leih-System allerding spart der Bildungsbehörde mindestens eine halbe Million Mark im Jahr: Schließlich verdienen die Springer jeweils eine Gehaltsstufe weniger.

Am Montag jedenfalls geht der Unterricht in der Kornstraße offiziell los: Dann gibt es den Stundenplan. Und spätestens dann wird sich auch zeigen, wie gut der ein oder andere neue Klassenlehrer wirklich ist. Dorothee Krumpipe