Städte müssen mehr investieren

Um den derzeitigen Standard zu halten, müssten Mittel für die Sanierung von Straßen und Gebäuden um die Hälfte steigen, so eine Studie. Doch es mangelt am Geld. Obendrein schieben Bund und Länder den Städten immer neue teure Aufgaben zu

aus Berlin MATTHIAS URBACH

Wir haben uns an unseren Reichtum gewöhnt: neue schnelle Straßen, prächtige öffentliche Gebäude, große Schwimmbäder. Doch immer weniger sind die Städte und Gemeinden in der Lage, das noch zu bezahlen. Schimmelflecken in Klassenzimmern, Schlaglöcher in Hauptstraßen und baufällige Schwimmbäder, die aus Geldmangel geschlossen werden – das ist immer mehr deutsche Realität, nicht nur in Berlin.

Nun schlägt der Deutsche Städtetag Alarm: 1.300 Milliarden Mark müssten die Kommunen in diesem Jahrzehnt investieren, um ihren Standard halten zu können. Dazu müssten die Städte und Gemeinde jährlich rund 75 Milliarden Mark für Infrastruktur ausgeben – zurzeit sind es gerade mal 50 Milliarden. Aus eigener Kraft sei das nicht möglich: „Wir fordern, dass sich Bund, Länder und Gemeinden an einen Tisch setzen“, verlangt Monika Kuban, Finanzexpertin des Städtetages, „und mit uns über Gemeindefinanzreform reden.“ Denn verantwortlich für die Misere seien auch Bund und Länder, die seit 1992 ihre Investitionsmittel für Ost-Kommunen um ein Drittel und für die West-Kommunen um ein Viertel reduzierten. „Es ist ein entscheidender Webfehler des Bundes, dass es eine Kammer der Länder, den Bundesrat, gibt, nicht aber eine Kammer der Kommunen“, klagt Kuban. So sei die Versuchung sehr groß, stets weitere Lasten auf Städte und Gemeinden abzuschieben, ob beim Recht auf einen Kindergartenplatz oder bei der Sozialhilfe. Der Städtetag könne dagegen nur auf die „Kraft des Argumentes“ vertrauen.

Deshalb gab Kuban eine Studie beim Deutschen Institut für Urbanistik (difu) in Auftrag. Deren Experten sollten, wie schon 1980 und 1992, den kommunalen Finanzbedarf abschätzen. Damit wollte man vor allem der gängigen „Sättigungsthese“ entgegentreten, laut der weitere kommunale Investitionen inzwischen Luxus seien. Die Difu-Volkswirte kamen zu dem Schluss, dass in den neuen Bundesländern allein in diesem Jahrzehnt 413 Milliarden Mark nötig seien, im Westen 929 Milliarden.

Dabei entfällt der Löwenanteil nicht nur im Osten auf den Ersatz oder die Sanierung maroder Strukturen. Auch im Westen sind inzwischen 60 Prozent allein für den Erhalt alter Straßen oder Gebäude nötig. Vieles, was in den ersten dreißig Jahren nach dem Krieg errichtet wurde, wird langsam baufällig. Dazu kommt, dass die klammen Gemeinden seit Jahren wichtige Sanierungen vor sich herschieben. Gerne hätte der Städtetag besonders strukturschwache West-Gemeinden ähnlich gefördert wie Ost-Städte. Kuban kann als ehemalige Stadtkämmerin von Duisburg ein Lied von diesem Dilemma singen. Sie versuchte damals in einem Verzweiflungsakt, die 30 marodesten Schulen ihrer Stadt zu verkaufen und renoviert zurückzumieten – was ihr die Landesregierung jedoch untersagte.

Seit der Difu-Studie 1992 wird ein Drittel weniger investiert – schließlich ist dort am leichtesten zu sparen. Auch beim Personal hätten die Gemeinden bereits eifrig gekürzt, so Kuban. Und Privatisierungen seien ein begrenztes Mittel, wie derzeit die Stromausfälle in Kalifornien und das marode britische Schienennetz illustrierten. Denn auch Bund und Länder investierten zu wenig. Die Wirtschaft leide jedoch auch bei mangelnden Investitionen in den Städten, sagt Kuban. „Der Standort Deutschland ist nicht der Luftraum über dem Reichstag, sondern die Kommunen mit ihren Straßen und all ihren Einrichtungen.“