Lipobay-Kontrolle wird kontrolliert

Der Fall des Cholesterinsenkers Lipobay zeigt, dass Arzneimittelrichtlinien international überarbeitet werden müssen. Gesundheitsministerin Schmidt gibt ein Gutachten in Auftrag, um Vorwürfe von Schlamperei zu kontern

BERLIN taz ■ Nicht nur der Bayer-Konzern, sondern auch das Bundesgesundheitsministerium ist wegen des Cholesterinsenkers Lipobay in die Kritik geraten. „Es ist unverständlich, wieso die Behörden nicht reagiert haben, obwohl die Nebenwirkungen von Lipobay seit März bekannt waren“, sagte Detlef Parr, gesundheitspolitischer Sprecher der FDP, zur Bild-Zeitung.

SPD-Gesundheitsministerin Ulla Schmidt hat beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) inzwischen ein Gutachten in Auftrag gegeben. Darin soll den Kontrollmaßnahmen im Zusammenhang mit Lipobay seit der Zulassung des Medikaments 1997 nachgangen werden.

„Sollten sich Schwachstellen sowohl auf nationaler als auch auf internationaler Ebene zeigen, so werden entsprechende Schritte zu deren Beseitigung vorgeschlagen werden“, kündigte das Ministerium an. Am kommenden Donnerstag soll das Gutachten vorgestellt werden.

Der Fall Lipobay zeigt, dass die Zuständigkeiten der verschiedenenen Arzneimittel-Aufsichtsbehörden offensichtlich unklar sind. Der Lipobay-Wirkstoff Cerivastatin war in einem europäischen Verfahren zugelassen worden. Ein Grund, warum das BfArM, obwohl die gefährlichen Nebenwirkungen des Cholesterinsenkers spätestens im März diesen Jahres bekannt waren, nicht gleich gehandelt hat.

Die Behörde habe beim europäischen Arzneimittel-Sicherheitsausschuss angeregt, die Anwendungsbestimmungen für das Medikament zu verschärfen, sagte Knut Janßen, Sprecher des BfArM, zur taz. Dem sei der Sicherheitsausschuss im Juni auch gefolgt. Den Vorwurf, dass seine Behörde die Gefahren von Lipobay unterschätzt habe, wies er zurück. Medikamente, die bei schweren Krankheiten eingesetzt würden, seien in vielen Fällen mit Risiken verbunden. Diese würden aber hingenommen, wenn der Nutzen überwiege. Entscheidend sei es, dass Arzt und Patient auftretende Nebenwirkungen rechtzeitig erkennen, so Janßen.

Lipobay soll den Cholesterinspiegel im Blut senken, also die Menge an Fetten, die für Herzinfarkte mitverantwortlich gemacht werden. Dabei besteht der Verdacht, dass durch unabsichtliche Auflösung von Muskelgewebe dessen „Abfallprodukte“ in die Niere gelangen, wo dies zu Funktionsstörungen bis hin zum tödlichen Nierenversagen führen kann. Weltweit sind inzwischen 52 Todesfälle bekannt geworden, fünf davon in Deutschland. STEPHANIE VON OPPEN