Bauernopfer und willkürliche Brutalität

Nach den G-8-Protesten in Genua fürchten Angehörige, dass die noch immer Inhaftierten in Vergessenheit geraten

Drei Wochen nach dem G-8-Gipfel in Genua und der Festnahmewelle gegen Globalisierungskritiker fürchten AnwältInnen, Angehörige und Antirepressionsgruppen, dass das Schicksal von 50 noch immer in diesem Zusammenhang Inhaftierten in Vergessenheit gerät. Das gelte auch für die 16 Deutschen, deren Freilassung auch nach einer zweiten Haftprüfung abgelehnt wurde.

„Die italienischen Behörden suchen nach Bauernopfern, um die willkürliche Brutalität der Sicherheitskräfte im Nachhinein zu legitimieren“, sagte gestern Juliane S. aus Berlin. Wie leicht aus einem umgebauten Lieferwagen, Zeltstangen, einer Campingausrüstung und einer 20 Zentimeter hohen Madonnenstatue ein „gepanzertes Fahrzeug zum Durchbrechen von Sicherheitsabsperrungen und Vorbereitung eines Sprengstoffanschlags“ werden kann, hat die 23-jährige Berlinerin selbst erfahren. Im Vorfeld der G-8-Proteste diente ihre Festnahme und ihr Wohnmobil den italienischen Behörden, aber auch einem Großteil der deutschen Medien als Beweis für die Mobilisierung vermeintlicher „Polithooligans“.

Während der Untersuchungshaft wollte man sie mit Druck und Schikanen zwingen, ihr unverständliche Schriftstücke auf Italienisch zu unterschreiben, berichtet die Berlinerin. Erst vor dem Richter erhielt sie dann eine Übersetzung zugeteilt, deren Qualität sie „zum Verzweifeln gebracht hat“: „Beglaubigung, die Beschlagnahme aufstellend, daß wieviele beschlagnahmt sowohl gibt bei Büro Körper vom Straftat vom Gericht von Genua“, lautete die deutsche Übersetzung eines staatsanwaltschaftlichen Beschlusses, der ihr zur Unterschrift vorgelegt wurde.

Rechtsanwältin Eva Lindemaier betont, dass die Grundrechte der Inhaftierten nicht gewahrt würden. So seien die Vorwürfe „Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“ – dem Black Block – und „Plünderung und Zerstörung“ nicht mit individuellen Tatnachweisen belegt, sondern dienten offenbar lediglich zur Legitimation polizeilicher Brutalität.

Von Schikanen italienischer Justizvertreter und willkürlichem Entzug der Besuchsgenehmigungen berichtete der Vater eines 6-jährigen Kindes, dessen Mutter inhaftiert ist. Er hofft, dass eine „kontinuierliche Öffentlichkeit, Besuche von Parlamentariern und mehr Aktivitäten des deutschen Konsulats“ den italienischen Behörden vermitteln: „Grundrechte können nicht einfach abgeschafft werden.“ HEIKE KLEFFNER