Mehr als eine Schippe

■ Neue Wahlumfrage prophezeit das Ende sozialdemokratischer Senate in Hamburg

Sechs Wochen vor der Bürgerschaftswahl in Hamburg gibt es keine Mehrheit mehr für eine Fortsetzung der rot-grünen Koalition. Lediglich 45 Prozent Zustimmung ermittelte eine gestern veröffentlichte Umfrage, 49 Prozent entfallen demnach auf eine Rechtskoalition aus CDU, FDP und Schill-Partei. Auf alle anderen Parteien – da-runter Regenbogen, Statt und drei rechtsextreme Parteien – entfallen zusammen sechs Prozent.

Im Auftrag von NDR Hamburg Welle und Hamburger Abendblatt stellte das Institut Infratest dimap 1000 Wahlberechtigten die übliche Sonntagsfrage. Danach erklärten 35 Prozent, sie würden der SPD ihre Stimme geben, wenn schon am nächsten Sonntag Wahl wäre; zehn Prozent votierten für die GAL. Damit stabilisieren sich die Umfragewerte für die SPD, die GAL verliert erneut ein bis zwei Prozent. 1997 hatten 36,2 rote plus 13,9 grüne Prozente zur Senatsbildung gereicht.

Gewinner dieser Umfrage ist die Partei des Rechtspopulisten Ronald Schill, die erneut um etwa zwei Prozent auf nunmehr zwölf Prozent zulegen konnte und damit die Grünen als dritte Kraft in Hamburg ablösen würde. Die CDU stagniert weiterhin bei 30 Prozent (1997: 30,7); der Wiedereinzug der FDP nach acht Jahren außerparlamentarischen Daseins verfestigt sich laut dieser Umfrage bei sieben Prozent.

Zugleich erobern die Liberalen sofort ihre Lieblingsrolle als Zünglein an der Waage. „Eine Regierungsbildung ist ohne uns nicht möglich“, frohlockt ihr Spitzenkandidat Rudolf Lange, der weiterhin jede Koalitionsaussage ablehnt. Von CDU und Schill werden die Liberalen heftig umworben. SPD-Bürgermeister Ortwin Runde und die grüne Spitzenkandidatin Krista Sager hingegen haben eine Ampelkoalition aus Rot, Gelb und Grün bislang kategorisch ausgeschlossen. Damit dürfte es nach augenblicklichem Stand im September zum ersten Mal seit 44 Jahren zu einem SPD-freien Senat reichen.

Runde und der SPD-Landesvorsitzende Olaf Scholz riefen gestern zur Mobiliserung auf. „Wir müssen noch eine Schippe drauflegen“, meinte Runde; Scholz erneuerte sein Wahlziel von „40 Prozent“. Dafür, so scheint es, brauchen die Sozialdemokraten aber mehr als nur eine Schippe. smv