Ganz Japan liebt die Bolton Wanderers

Englands Premier League, die am Samstag in ihre neue Saison startet, hat sich zum globalen Marktführer entwickelt

LONDON taz ■ Was das neudeutsche Wort Global Player wirklich bedeutet, wurde Markus Babbel Ende Juli in einem Taxi in Bangkok klar. Es bedeutete in jenem Moment, gut 50 Leute auf der Motorhaube zu haben, jede Menge plattgedrückte Gesichter an den Scheiben und ein paar verzweifelte Polizisten auf der Straße, die versuchten, dem Taxi mit dem gebürtigen Bayern Babbel und seinem Kollegen Michael Owen vom FC Liverpool den Weg durch die Fanschar freizuräumen. „Das war Wahnsinn, 24 Stunden am Tag“, fasst Verteidiger Babbel Liverpools Vorsaison-Tournee durch Südostasien zusammen. Am Ende stand für Babbel die verblüffende Erkenntnis: „Mensch, da kennen dich ja in Bangkok mehr Leute als in Bad Tölz!“

Vor fünf Jahren ging die englische Premier League, eine bis dahin isolierte Inselliga, daran, sich mit Macht zu einer internationalen Drehscheibe zu entwickeln, ausgerüstet mit den Millionen aus einem neuen Fernsehvertrag, angefeuert durch die wieder erweckte Fußballbegeisterung nach der Europameisterschaft 1996 im eigenen Land. Wenn an diesem Samstag die Saison startet, werden von Tipperary bis Thailand angeblich 170 Millionen Fernsehzuschauer dabei sein und den Eindruck stärken, dass sich die Premier League zum globalen Marktführer entwickelt hat.

Selbst ein Spanien-Liebhaber wie der deutsche Trainer von Athletic Bilbao, Jupp Heynckes, glaubt: „Im Erlebnisfußball ist England die Nummer eins.“ Die Leidenschaft und Schnelligkeit des Spiels machen den englischen Fußball zum unterhaltsamsten Spektakel. Da sieht auch die wirtschaftlich solide Bundesliga vergleichsweise schlecht aus. Einer von Babbels Liverpooler Kollegen, „ich weiß gar nicht mehr wer“, sah sich vergangenen Sonntag im Digitalfernsehen Mönchengladbach gegen Schalke an und fand die Querpassorgie öde. „Das ist normal“, sagte ihm Babbel, „Bundesliga live ist meistens grausam.“

Selbstverständlich lassen sich auch in der Premier League genug Details zum Kopfschütteln finden. Der üblichen Meldung zum Saisonstart, dass die Umsätze der Klubs neue Rekordhöhen erreichen, folgte die gewohnte Warnung, dass trotzdem 13 der 20 Vereine Schulden haben. Die Zeiten des Goldrauschs scheinen vorbei, die Aufbruchsjahre, als die britischen Vereine en masse ausländische Durchschnittskicker zu Premiumpreisen verpflichteten. Die Transfers dieses Sommers lassen – zumindest bei den führenden Klubs – auf eine vernünftigere Personalpolitik schließen.

Anders als in Italien, wo halbe Mannschaften jährlich nur des Spektakels wegen ausgetauscht werden, versuchen die meisten Klubs, eine Elf über Jahre aufzubauen. Liverpool etwa, das den unglücklichen Christian Ziege zu Tottenham weiterschickte, verpflichtete mit dem Norweger John Riise von Monaco und dem Tschechen Milan Baros nur zwei Spieler. Auch bei Titelverteidiger Manchester United kamen außer einem Ersatztorwart nur zwei Neue; doch zu welchem Preis: 150 Millionen Mark legte der finanzkräftigste Klub der Welt für Spielmacher Juan Verón von Lazio Rom und Stürmer Ruud van Nistelrooy vom PSV Eindhoven hin. „Das haben wir noch nie getan“, sagt Trainer Alex Ferguson, „richtig großes Geld für richtig große Spieler ausgegeben.“ Aber es war seine Überzeugung, dass die Elf nach dem Aus gegen Bayern München im Champions-League-Viertelfinale „einen neuen Funken braucht, einen Mann, der den Unterschied macht“. Dieser Mann soll Juan Verón sein.

Bis in den Fernen Osten werden sie gespannt verfolgen, ob FC Liverpool, FC Arsenal oder Leeds United diesmal ernste Herausforderer für United sind; und in Japan werden sie schauen, ob die Bolton Wanderers den Abstieg vermeiden. Der Aufsteiger hat sich aus Osaka den Stürmer Akinori Nishizawa ausgeliehen. Zum Testspiel gegen Athletic Bilbao kamen 17 japanische Journalisten. Und Nishizawa spielte noch gar nicht mit. Ist das die Zukunft des Fußballs? Die Global Wanderers, groß in Japan – und daheim in England interessiert sich noch immer niemand für sie. RONALD RENG