Absurde Beweisführung in Genua

19 Mitglieder der österreichischen VolxTheaterKarawane werden aus der Haft entlassen. Nun wird das Vorgehen der Polizei genauer untersucht

ROM taz ■ 19 Mitglieder der österreichischen Theatergruppe VolxTheaterKarawane und eine US-amerikanische Studentin wurden am Mittwochabend in Genua auf freien Fuß gesetzt. Auch die Freilassung der noch im Gefängnis verbleibenden fünf Theaterleute, deren Haftbeschwerden wegen Formfehlern noch nicht verhandelt werden konnten, steht unmittelbar bevor.

Polizei und Staatsanwaltschaft von Genua haben damit eine weitere Schlappe erlitten. Die am 22. Juli Festgenommenen waren den Medien seinerzeit triumphal als die Untäter vom „schwarzen Block“ präsentiert worden, die Genua verwüstet hätten. Schwarze Kleidung, Gasmasken, Jonglierkegel, Holzlatten – war das nicht Beweis genug? Die gleichen „Beweise“ sollten jetzt beim Prüftermin die Fortdauer der U-Haft wegen Zugehörigkeit zu einer kriminellen Vereinigung rechtfertigen. Dabei gaben die Staatsanwälte den Richtern Interpretationshilfe. Bloß ein Jonglierkegel? Es sei ein Markenzeichen des „schwarzen Blocks“, gerade Gegenstände als Waffen zu nutzen, die eigentlich gar keine Waffen seien. Was allerdings schwarze BHs unter den Beweismitteln zu suchen hatten, bleibt bis heute mysteriös.

Die Beweismittel zur Entlastung der Angeklagten beeindruckten die Richter offenbar stärker. Schon vor 14 Tagen hatte die staatliche RAI Filmaufnahmen von Auftritten des Volxtheaters in Genua ausgestrahlt. Die Requisiten, die die Theaterleute jetzt für Jahre in den Knast bringen sollten, waren dort bereits zum Einsatz gekommen.

Wie alle anderen Freigelassenen wurden die Theaterleute sofort mit fünfjährigem Wiedereinreiseverbot ausgewiesen. Nach den jetzt erfolgten Haftentlassungen befinden sich noch 16 Deutsche im Gefängnis. Gegen sechs von ihnen liegen „härtere“ Beweise vor. So behauptet die Polizei, bei einem der Inhaftierten den Stempel einer verwüsteten Bank gefunden zu haben. Der Rechtsanwalt hält jedoch dagegen: „Der Stempel war im Rucksack eines Jungen, der gar nicht mit Rucksack nach Genua gefahren ist; das war gar nicht sein Gepäckstück.“

Erfolgversprechender scheinen die Ermittlungen gegen politische Gewalttäter aus anderen Lagern zu sein. Am Mittwoch durchsuchten Carabinieri-Beamte italienische Polizeikasernen, um festzustellen, welche Einheiten mit den neuen „Tonga“-Schlagstöcken ausgerüstet waren, die unter den Demonstranten zu den schlimmsten Verletzungen geführt hatten. Dabei wurden mehrere Schlagstöcke beschlagnahmt, die nun auf Blutspuren untersucht werden sollen.

Zugleich leitete der Assessor für Gesundheit der Region Ligurien eine Untersuchung zu den polizeilichen Übergriffen gegen verletzte Demonstranten in den italienischen Krankenhäusern ein. Außerdem hat Genuas Ärztekammer ein Disziplinarverfahren gegen jene Ärzte eingeleitet, die in der Polizeikaserne Bolzaneto Dienst taten. Ihnen wird vorgeworfen, bei Misshandlungen untätig zugesehen und dann in den Protokollen Verletzungen der Festgenommenen verschwiegen zu haben.

MICHAEL BRAUN