NORDKOREA: DIPLOMATISCHE BEZIEHUNGEN HABEN BISHER WENIG GENÜTZT
: Ein halbes Jahr ohne Fortschritte

Bei der Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit Nordkorea vor einem halben Jahr versprach die Bundesregierung, sich dafür einzusetzen, dass der Bewegungsspielraum der Diplomaten und der humanitären Helfer qualitativ erweitert und verbessert wird. Darin muss ja auch der Beginn und der Sinn einer solchen Anerkennung eines Landes liegen, das ansonsten in seiner Verfassungsrealität nicht unseren Vorstellungen entspricht. Den Menschen in Nordkorea soll und muss geholfen werden. Und deutsche Journalisten konnten sogar darauf hoffen, dass sie demnächst nicht nur dann in das abgeschottete Land reisen dürfen, wenn sich ein deutscher Minister dorthin verirrt.

Aber nichts ist bislang geschehen. Die Organisationen, die in dem schwierigen Land wirklich etwas tun – etwa die Welthungerhilfe und das Notärzte-Komitee Cap Anamur –, haben im letzten halben Jahr weder Erleichterungen ihrer Arbeit verspürt, noch sind sie Nutznießer des erhofften größeren Bewegungsspielraums geworden. Weiter wird jedes Projektteam von drei Bewachern begleitet, auch die deutschen Mitarbeiter unterliegen intensiver „Betreuung“. Die jeweilige Organisation muss ihre staatlichen Bewacher auch noch bezahlen. Weiterhin dürfen die Organisationen sich mit den eigenen Wagen nur in der Hauptstadt Pjöngjang selbst unabhängig bewegen. Für jede Reise nach auswärts und auch für das Betanken der Wagen sind Staatsfahrer zuständig, die ebenfalls von der Projektgruppe zu bezahlen sind.

Die Bundesregierung muss sich fragen lassen, warum sie zur Koreanischen Demokratischen Volksrepublik eigentlich Beziehungen aufgenommen hat. Immer noch gibt es keinen der versprochenen Rindfleischtransporte. Verbraucherschutzministerin Künast läuft weiter mit der Nachricht herum, die Nordkoreaner hätten Bedenken gegen Fleischlieferungen während der heißen Sommermonate geäußert. Doch Rupert Neudeck, Chef von Cap Anamur und gerade aus Nordkorea zurück, hat dort völlig andere Auskünfte erhalten. Außenminister Fischer muss sich der Angelegenheit annehmen, um den Menschen in Nordkorea zu helfen.

Auch im Prozess der Annäherung zwischen Nord- und Südkorea, der wieder ins Stocken geraten ist, schauen die Koreaner erwartungsvoll auf Deutschland mit seinen Erfahrungen aus der Wiedervereinigung. So gilt hier ebenso: Sechs Monate Untätigkeit sind sechs Monate zu viel. KLAUS KINKEL

Der Autor, Vizechef der FDP-Bundestagsfraktion, war von 1992 bis 1998 Bundesaußenminister