Bayer ist schuld

Gesundheitsministerium: Bayer hat Informationen über Lipobay zwei Monate zurückgehalten. Konzern verschiebt US-Börsengang

BERLIN taz ■ Schwere Vorwürfe hat das Bundesgesundheitsministerium (BMG) gegen die Firma Bayer erhoben. Die Informationspolitik des Pharmakonzerns zum Cholesterin senkenden Mittel Lipobay sei „unakzeptabel“, sagte Klaus Theo Schröder, Staatssekretär im BMG, gestern in Berlin. Dies ergebe ein Gutachten, mit dem das BMG das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) beauftragt hatte.

Zuvor hatte Bayer Lipobay vom Markt genommen. Bis dahin hatte es weltweit 52 Todesfälle gegeben, die auf das Medikament zurückgeführt werden. Bayer kündigte gestern an, deshalb seinen Börsengang in den USA von September 2001 auf Februar 2002 zu verschieben.

Aus dem Bericht des BfArM geht hervor, dass Bayer schon Mitte Juni von neuen Verdachtsfällen schwer wiegender Nebenwirkungen wusste. Allerdings habe Bayer das BfArM erst zwei Monate später auf Anfrage darüber informiert. Bayer habe es „nicht einmal für notwendig erachtet“, die zuständigen Aufsichtsbehörden rechtzeitig über die Marktrücknahme von Lipobay zu informieren. Schröder kündigte an, dass weitere mögliche Verstöße gegen Rechtsvorschriften geprüft würden. Dem Konzern drohe ein Bußgeld von 50.000 Mark. Das sei „kein Betrag“, der beeindruckt, räumte er ein. Das BfArM nahm Schröder gegenüber Vorwürfen in Schutz: Die Aufsichtsbehörde habe „ausreichende risikosenkende Maßnahmen ergriffen“.

Nach Angaben Schröders sind allein im jahr 2001 etwa eine halbe Millionen Menschen in Deutschland mit Lipobay behandelt worden. Seit der Markteinführung 1997 seien insgesamt 234 „unerwünschte Wirkungen“ gemeldet worden. Allerdings seien diese zumeist rechtzeitig erkannt und abgewendet worden. Sieben Patienten starben.

Aus dem Lipobay-Skandal will das BMG Konsequenzen ziehen. Dazu zählt Schröder die Entwicklung eines effizienten Frühwarnsystems in Zusammenarbeit mit den Ländern. Zudem werde geprüft, ob die bisherige Meldepflicht der Ärzte im Berufsrecht und die Selbstverpflichtung der Wirtschaft, Arzneimittelrisiken mitzuteilen, ausreiche. Schröder forderte zudem, dass die Arzneimittelüberwachung auf internationaler Ebene verbessert wird: „In Zeiten globalisierter Märkte muss auch die Arzneimittelüberwachung global erfolgen.“ SVO