Bitte keine Fragen zum Fahrplan

Gerhard Schröder: „Wir werden uns bei unserer Bitte an den Bundestag um Zustimmung zum Einsatz strikt im Rahmen der Nato-Entscheidung halten“

von ANDREAS ZUMACH

Nächste Woche will der Nato-Rat darüber entscheiden, ob das Bündnis eine zunächst 3.500 Soldaten starke Truppe nach Mazedonien schickt. Die Entsendung von 500 deutschen Soldaten in der Nato-Mission MFOR müsste anschließend das Bundeskabinett beschließen, dann steht die umstrittene Entscheidung im Bundestag an.

Was die rot-grüne Regierung den Abgeordneten zur Entscheidung vorlegen will, ist nicht gerade eine seriöse Grundlage für einen solch weitreichenden Beschluss: Die Regierung verharmlost die Risiken und erhält die Illusion aufrecht, der Mazedonieneinsatz ließe sich – wie am 20. Juni vom Nato-Rat beschlossen – auf 30 Tage und das Einsammeln freiwillig abgegebener Waffen der albanischen UÇK beschränken. Gestern beharrte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf der Befristung: „Wir werden uns bei unserer Bitte an den Bundestag um Zustimmung strikt im Rahmen der Nato-Entscheidung halten – auch zeitlich.“

Schweigen über Eventualpläne

Dabei haben die Nato-Militärs in Kenntnis der Risiken längst fertige Pläne in der Schublade für eine erhebliche Ausweitung von Umfang, Zeitdauer und Mandat des Einsatzes. Das sagen Mitarbeiter des Nato-Hauptquartiers ohne Umschweife. Anders die Bundesregierung: Sie verschweigt gegenüber Parlament und Öffentlichkeit weitreichendere Pläne. Die Regierung wird vor dem Bundestag auf die Feststellung des Nato-Rates verweisen, seine drei am 20. Juni formulierten Bedingungen für einen Mazedonieneinsatz seien erfüllt.

Doch selbst wenn der Nato-Rat diese Feststellung wie derzeit erwartet bis spätestens Mittwoch trifft, bleiben Fragen und Widersprüche. Eine Friedensvereinbarung zwischen den politischen Parteien der albanischen und der slawischen Mazedonier (1. Bedingung) liegt zwar vor, wird aber höchst unterschiedlich, ja gegensätzlich interpretiert – insbesondere hinsichtlich der Umsetzungsfristen und -modalitäten. Die UÇK hat zwar grundsätzlich ihre Bereitschaft zur Abgabe ihrer Waffen erklärt (2. Bedingung), doch sie macht eine weitgehende Umsetzung der Friedensvereinbarung – die in 30 Tagen unrealistisch ist – zur Vorbedingung. Umgekehrt wollen Regierung und slawisch-mazedonische Parlamentsmehrheit die Friedensvereinbarung erst ratifizieren, nachdem die UÇK mindestens ein Drittel ihrer Waffen abgegeben hat. Dabei klaffen die Angaben über Umfang und Qualität des Waffenarsenals der UÇK ebenso weit auseinander wie die Vorstellungen über den Grad der erforderlichen Entwaffnung durch die Nato. Lediglich „2.300 bis 2.500 Waffen“ müssten die Nato-Soldaten einsammeln, zitierte die Agentur AFP einen ungenannten „westlichen Experten“, hinter dem sich nach taz-Informationen ein US-Militär verbirgt. Das Verteidigungsministerium in Skopje geht jedoch von mindestens 8.000 einzusammelnden Handfeuerwaffen aus sowie einer „großen Anzahl von Mörsern, Panzerfäusten, Minen und schultergestützen Flugabwehrraketen“. Die „Entwaffnungsvereinbarung“ zwischen Nato und UÇK lässt all diese Details offen.

Für die dritte Vorbedingung des Nato-Rates, den „dauerhaften und stabilen Waffenstillstand“, gibt es keine klaren Kriterien. Dauerhaft heiße „nicht Stunden, sondern Wochen“, hatte ein Pentagonsprecher noch vor einigen Tagen erklärt. Inzwischen sprechen westliche Diplomaten und Militärs bereits trotz anhaltender bewaffneter Auseinandersetzungen von einer „stabilen Lage“. Der Nato-Rat dürfte seine Bewertung im Wesentlichen auf die Lageberichte der britischen Truppen stützen, die seit gestern in Mazedonien erwartet wurden und die Nato-Mission vorbereiten sollen. Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die mögliche Existenz einer Splittergruppe der UÇK, die – laut verschiedenen Bekennerschreiben – Friedensvereinbarung und Entwaffnungsmission ablehnt. Die Nationale Albanische Armee (ANA) hatte in in den letzten zwei Wochen die Verantwortung für tödliche Überfälle auf mazedonische Polizisten und Militärs übernommen.

Stufenplan bis 30.000 Mann

Die Nato-Militärstäbe haben längst Pläne entwickelt, die MFOR stufenweise zu vergrößern: von zunächst 3.500, auf 5.000, 10.000 bis zu 30.000 Soldaten. Auch Pläne für eine zeitliche Ausdehnung der Mission auf 60 Tage und mehr sowie für die Ausweitung des Mandats bis hin zu Kampfeinsätzen liegen vor. Solange die Regierung den Bundestag nicht über diese Eventualpläne informiert, wird sie die Bedenken vieler Abgeordneter kaum ausräumen können.